Dr. Julia Bettina Onderka
Nach Abschluss des Verfahrens setzt das Gericht – soweit wertabhängige Gebühren entstehen – nach § 63 Abs. 2 GKG den endgültigen Streitwert fest. Dieser Wert ist allerdings nicht nur für die Berechnung der Gerichtsgebühren relevant, sondern nach ihm werden gem. § 32 Abs. 1 RVG auch die Gebühren des Rechtsanwalts bestimmt. Aus diesem Grunde kann nicht nur die Partei nach § 68 GKG die Wertfestsetzung mit der Beschwerde angreifen, sondern auch der Anwalt aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 GKG). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Partei nur eine ihrer Meinung nach zu hohe, der Anwalt nur eine vermeintlich zu niedrige Wertfestsetzung angreifen darf. Soweit der jeweilige Prozessbevollmächtigte Gebühren nach dem RVG abrechnet, ist dies ohne weiteres auch einleuchtend: Die kostenpflichtige Partei würde bei einer im Beschwerdeverfahren erfolgreich beantragten Werterhöhung mehr erstatten müssen als vorher; die obsiegende Partei hätte zwar einen höheren Erstattungsanspruch, wäre aber auf der anderen Seite gleichzeitig einem entsprechend höheren Vergütungsanspruch ihres Anwalts ausgesetzt, so dass sie sich im Ergebnis nicht besser stünde.
Problematisch wird der geschilderte Grundsatz aber dann, wenn der Prozessbevollmächtigte der Partei nicht die gesetzlichen Gebühren abrechnet, sondern mit dieser eine Vergütungsvereinbarung (§ 3a RVG) geschlossen hat. Eine solche Vereinbarung wirkt nur zwischen den Vertragsparteien und begründet keinen Erstattungsanspruch gegen den Gegner. Im Falle des Obsiegens ist der Gegner lediglich verpflichtet, die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der fiktiven gesetzlichen Gebühren, die der Anwalt hätte beanspruchen können, zu erstatten. Entsprechend enthält § 3a Abs. 1 S. 3 RVG eine Hinweispflicht des Anwalts. Ist also eine solche Vergütungsvereinbarung abgeschlossen worden, hat die obsiegende Partei durchaus ein Interesse an der Korrektur eines zu gering festgesetzten Streitwertes nach oben. Denn durch die Erhöhung dieses Wertes erhöht sich auch ihr Erstattungsanspruch gegen den Gegner und damit verringert sich der selbst zu tragende Differenzbetrag zur Vergütungsvereinbarung.
Aus diesem Grunde hält die herrschende Meinung eine auf Erhöhung des Streitwertes gerichtete Beschwerde der obsiegenden Partei für zulässig, wenn die Vergütungsvereinbarung von einem höheren Streitwert ausgeht. Das OVG Greifswald hat nun im vorliegenden Fall die Übertragung dieser Rspr. auf den Fall abgelehnt, dass mit dem Anwalt eine Vergütung nach Zeitaufwand vereinbart wurde. Dies halte ich nicht für überzeugend: Wenn man das Interesse der obsiegenden Partei anerkennt, eine Streitwertbeschwerde einzulegen, um – denn darum geht es ja letztlich – den eigenen Erstattungsanspruch gegen den Gegner im Hinblick auf eine getroffene Vergütungsvereinbarung zu erhöhen, dann kann dieses Interesse nicht deshalb in Abrede gestellt werden, weil sich die vereinbarte Vergütung schlicht anders berechnet. Solange der Beschwerdeführer darlegt, dass das vereinbarte Honorar die gesetzliche Vergütung nach dem festgesetzten Streitwert übersteigt und er einen höheren Streitwert für zutreffend hält, muss die Überprüfung im Beschwerdeverfahren eröffnet sein.
Auch schutzwürdige Interessen des Gegners stehen einer solchen Beschwerde m.E. nicht entgegen: Der Prozessgegner kann sich zum einen während der Änderungsfrist (§ 63 Abs. 3 S. 2 GKG) nicht darauf verlassen, dass es bei dem einmal festgesetzten Wert bleibt und dieser nicht auf eine Beschwerde hin oder von Amts wegen abgeändert wird. Zum anderen betrifft die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses nur die Zulässigkeit der Beschwerde. Kommt das Gericht im Rahmen der Begründetheitsprüfung zu dem Ergebnis, dass der Streitwert zutreffend festgesetzt wurde, so kann und wird es ihn nicht deshalb abändern, weil der obsiegende Verfahrensbeteiligte seinen Erstattungsanspruch im Hinblick auf eine Honorarvereinbarung verbessern will. Denn dieses Interesse spielt bei der Frage der Wertfestsetzung keine Rolle. Vielmehr setzt eine erfolgreiche Beschwerde voraus, dass der Streitwert zunächst materiellrechtlich unzutreffend festgesetzt wurde, was es dann gegebenenfalls zu korrigieren gilt.
Im Hinblick auf die Entscheidung des OVG Greifswald kann einem Anwalt nur dringend geraten werden, die Streitwertbeschwerde in solchen Fällen im eigenen Namen (§ 32 Abs. 2 RVG) einzulegen. Denn bei diesen Beschwerde wird die beantragte Erhöhung des Wertes jedenfalls nicht am Rechtsschutzbedürfnis scheitern.