Die Anwendung des am 5.8.2009 in Kraft getretenen § 15a RVG bei der Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist nach der Rspr. des Senats (OLG Stuttgart – rechtskräftig – AGS 2009, 371; ebenso: OLG Koblenz AGS 2009, 420; OLG Köln AGS 2009, 512; OLG München, Beschl. v. 13.10.2009–11 W 2244/09, in juris; BGH/2. Zs. NJW 2009, 3101 [= AGS 2009, 466]) auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" – wie den vorliegenden – auszudehnen.
Danach kommt entgegen der Auffassung des Beklagten eine Reduzierung der geltend gemachten und von der Rechtspflegerin festgesetzten 1,3-Verfahrensgebühr infolge Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf 0,65 nicht in Betracht.
Nach § 15a Abs. 1 RVG wirkt sich die Anrechnungsvorschrift grundsätzlich im Verhältnis zu Dritten, damit insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren, nicht aus. In diesem musste und muss eine Verfahrensgebühr, von den in § 15a Abs. 2 RVG geregelten Ausnahmen abgesehen, stets auch dann in der geltend gemachten Höhe festgesetzt werden, wenn für den Bevollmächtigten des Erstattungsberechtigten eine Geschäftsgebühr entstanden ist (BGH NJW 2009, 3101).
Ein Ausnahmefall des § 15a Abs. 2 RVG ist nicht gegeben. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden.
Unzweifelhaft ist die erstgenannte Alternative (Erfüllung) nicht gegeben. Die mit der Klage im Antrag Nr. 2 als Nebenforderung beanspruchte Geschäftsgebühr wurde auch nicht mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Prozessvergleich tituliert. Denn er enthält insoweit keine Zahlungspflicht des Beklagten. Vielmehr beruft sich dieser auf das Vorliegen der dritten Alternative des § 15a Abs. 2 RVG (Geltendmachung beider Gebühren in demselben Verfahren gegenüber dem Beklagten).
Was unter "demselben Verfahren" i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG zu verstehen ist, kann der Vorschrift nicht eindeutig entnommen werden. Sofern im Hauptsacheverfahren vor dem Richter und in dem sich aufgrund der dort getroffenen Kostenregelung anschließenden reinen Höheverfahren der Kostenfestsetzung vor dem Rechtspfleger überhaupt dasselbe Verfahren gesehen werden sollte (verneinend: OLG München, Beschl. v. 13.10.2009–11 W 2244/09, juris; so wohl auch BGH, 10. ZS, WRP 2009, 1554, in juris Rn 25), kann jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Bestimmung des § 15a Abs. 2 RVG die Berücksichtigung der Anrechnung nur auf die Fälle der erfolgreichen Geltendmachung einer der beiden Gebühren beschränkt werden (vgl. OLG Stuttgart/Senat AGS 2009, 371). Eine solche ist hier nicht festzustellen.
Danach ist die Berufung des Beklagten auf die Anrechnung unter keinem Gesichtspunkt erfolgreich. Die Verfahrensgebühr musste vielmehr ungeschmälert festgesetzt werden. Der ursprünglich vom Kläger angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss war daher entsprechend abzuändern. Die Rechtspflegerin ist dieser Verpflichtung im Abhilfebeschluss zu Recht nachgekommen.
Unter Berücksichtigung der abweichenden obergerichtlichen Rspr. zur Problematik der Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle – unbedingter Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten des § 15a RVG, wie vorliegend (OLG Frankfurt RVGreport 2009, 392; KG RVGreport 2009, 391; OLG Celle OLGR 2009, 749; KG, RVGreport 2009, 431; OLG Braunschweig NdsRpfl 2009, 358; OLG Celle OLGR 2009, 930; KG, Beschl. v. 13.10.2009–27 W 98/09, in juris; insbesondere: BGH, 10. ZS, WRP 2009, 1554 [= AGS 2009, 540]) – wird die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zugelassen.
Die Beantwortung der Streitfrage der Anwendung des § 15a RVG auf Altfälle ist vorliegend entscheidungserheblich. Denn nach der BGH-Rspr. vor dem Inkrafttreten des § 15a RVG kam es für die Anrechnung einer einmal entstandenen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die gerichtliche Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV nicht darauf an, ob wegen der Geschäftsgebühr ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber dem Prozessgegner bestand. Es war danach unerheblich, ob die Geschäftsgebühr als Nebenforderung mit eingeklagt worden war oder ob der Kläger dies unterlassen hatte wegen etwaiger Einwendungen oder Einreden (z.B. Verjährungseinrede) oder ob mit der umfassenden Erledigungsklausel in einem gerichtlichen Vergleich bezüglich eines etwaigen Erstattungsanspruchs des Klägers zwischen den Parteien ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) abgeschlossen worden war (Senat OLGR 2009, 417).
Allein ausschlaggebend für die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr war der Anfall ...