ZPO § 91
Leitsatz
- Es ist einem Prozessbevollmächtigten nicht zuzumuten, bereits vor 6.00 Uhr morgens abzureisen, um einen Termin wahrnehmen zu können.
- Übernachtungskosten können im Einzelfall – hier: Gesamtfahrstrecke von rund 700 km und sehr frühe Anreise – auch bei einem Zeitaufwand von weniger als 10 Stunden für Hin- und Rückweg als erstattungsfähig anzusehen sein.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.7.2009–5 W 161/09
Sachverhalt
Das LG hatte die der Klägerin von den Beklagten zu erstattenden Kosten festgesetzt, wobei wegen der Wahrnehmung des auf 10.00 Uhr bestimmten Gerichtstermins beantragte Reisekosten, Abwesenheitsgelder und Verdienstausfall teilweise und Übernachtungskosten vollständig abgesetzt wurden. Zur Begründung hat es hinsichtlich der Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausgeführt, dass Hin- und Rückfahrt bei einer Entfernung von rund 350 Kilometern zwischen Dortmund und Saarbrücken ohne Weiteres an einem Tag zu bewältigen gewesen seien, so dass die Übernachtungskosten nicht und die geltend gemachten Abwesenheitsgelder nur teilweise zu erstatten seien. Zudem überstiegen die beantragten Fahrtstrecken die im Routenplaner angegebenen Strecken insgesamt um 50 Kilometer – bei dem Prozessbevollmächtigten – bzw. um 40 Kilometer – bei dem Mitarbeiter der Klägerin. Der geltend gemachte Dienstausfall sei mangels Nachweises des Bruttoverdienstes des Mitarbeiters der Klägerin von 17,00 EUR auf 3,00 EUR pro Stunde zu kürzen; insgesamt seien insoweit nur 10 Stunden pro Tag zu berücksichtigen.
Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin mit am 23.3.2009 eingegangenem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, eine Anreise am Terminstag sei nicht zumutbar gewesen, weil diese wegen prognostizierbarer Staus an den Verkehrsknotenpunkten und wegen erheblicher Baustellen vor 6.00 Uhr morgens hätte erfolgen müssen, um eine pünktliche Ankunft sicher zu gewährleisten; dasselbe hätte bei einer Anreise mit der Bahn gegolten. Demzufolge sei nicht nur die Fahrt von Dortmund nach Saarbrücken, sondern auch die Fahrt vom Hotel zum Gericht zu berücksichtigen; dass die angegebenen Kilometer tatsächlich zurückgelegt worden seien, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwaltlich versichert. Zudem wären bei einer erstattungsfähigen Anreise mit der Bahn – 1. Klasse – insgesamt höhere Kosten angefallen. Hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfalls ist die Klägerin der Ansicht, es bedürfe keines konkreten Nachweises.
Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen
1. Die Abzüge bei den zur Festsetzung beantragten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind zu Unrecht erfolgt.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten, die im Kostenfestsetzungsverfahren eine Vergleichsrechnung mit den Kosten eines Unterbevollmächtigten für erforderlich gehalten haben, sind die Reisekosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin grundsätzlich erstattungsfähig.
Dass es sich regelmäßig um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO) handelt, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt, ist allgemein anerkannt, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats erforderlich und sinnvoll ist (vgl. BGH, Beschl. v. 13.12.2007 – IX ZB 112/05 – NJW-RR 2008, 654). Die Terminsreisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts sind deshalb grundsätzlich – und nicht nur in Höhe niedrigerer Kosten eines Unterbevollmächtigten – erstattungsfähig.
Ein persönlicher Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten kann zwar ausnahmsweise – etwa bei besonders einfach gelagerten Streitsachen und rechtskundigem Personal – entbehrlich sein. Da die Parteien über Ansprüche aus einem aufschiebend bedingten Vertrag über die Lieferung einer Solaranlage und aus einem Vermittlungsauftrag für die Montage eines Heizungssystembausatzes streiten, kann vorliegend aber nicht von einem tatsächlich und rechtlich einfach gelagerten Fall ausgegangen werden.
b) Die grundsätzlich erstattungsfähigen Kosten der Anreise mit dem eigenen Pkw sind nach Maßgabe der tatsächlich zurückgelegten Kilometer zu erstatten (vgl. MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 91 Rn 132). Dass die Gesamtfahrtstrecke 750 Kilometer betragen habe, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin anwaltlich versichert, was nach § 104 Abs. 2 S. 1 ZPO zur Berücksichtigung eines Kostenansatzes grundsätzlich genügt.
Entgegen der Ansicht des LG werden durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit dieser Angabe nicht dadurch begründet, dass die Abfrage eines Routenplaners eine um insgesamt – für Hin- und Rückweg – 45 Kilometer kürzere Fahrtstrecke ergibt. Zum einen ist die Wahl der kürzesten Strecke etwa dann nicht zumutbar, wenn eine andere – längere – Strecke erwartungsgemäß mit geringerem Zeitaufwand bewältigt werden kann (vgl. Mün...