GG Art. 5 Abs. 3 ZPO § 91 RVG § 2 Abs. 2 RVG VV Nr. 3104

Leitsatz

  1. Einem Rechtsanwalt, der sich im Termin durch einen Rechtslehrer vertreten lässt, steht selbst keine Terminsgebühr zu.
  2. Mit Einverständnis des Rechtslehrers – auch eines Rechtslehrers a.D. – kann der Anwalt für den Rechtslehrer den zustehenden Betrag in Höhe der Terminsgebühr nebst Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer festsetzen lassen.

AG Berlin Tempelhof-Kreuzberg, Beschl. v. 12.4.2010 – 11 C 42/09

1 Anmerkung

(bereits abgedr. in AGS 2010, 516)

Dem Beschluss ist uneingeschränkt zuzustimmen. Aufgrund des in Art. 5 Abs. 3 GG wurzelnden Gewohnheitsrechts sind Rechtslehrer als Prozessvertreter in Zivilsachen zugelassen,[1] denn die Prozessvertretung gehört zu ihrem verfassungsrechtlich geschützten Wirkbereich.[1]

Rechtslehrer sind Professoren und Lehrbeauftragte mit der Befähigung zum Richteramt in der Bundesrepublik Deutschland, die an einer Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes Recht lehren oder gelehrt haben. Der Beschluss verdient auch insoweit Zustimmung, als er ausdrücklich Rechtslehrer a.D. erwähnt.[1]

Seit einigen Jahren wird in Deutschland bestritten, dass Lehrbeauftragte zu den Rechtslehrern zählen, obwohl dies im Rahmen der StPO seit 1873 unumstritten war.[1] Grund hierfür ist, dass die Nationalsozialisten die StPO ihrer Ideologie anpassen wollten und daher planten, die Vertretung auf Rechtsprofessoren zu beschränken.[1]

Nunmehr versuchen bestimmte Personen,[1] durch Verfälschung des Gesetzestextes diesen Wunsch der Nationalsozialisten zu realisieren, indem sie sogar bestreiten, dass Lehrbeauftragte Hochschullehrer sind. Demgegenüber hat das BVerwG ausdrücklich festgehalten, dass Lehrbeauftragte Hochschullehrer sind; der BGH hat erklärt, dass die Tätigkeit eines Lehrbeauftragten eine Hochschullehrertätigkeit ist.[1]

Durch mehrere Gerichtsentscheidungen ist inzwischen geklärt, dass die Kostenfestsetzung für die Vertretung durch einen Rechtslehrer, die sich nicht aus dem RVG ergibt,[1] analog zum RVG erfolgen muss.[1] Dies gilt ebenso für die Vertretung durch einen Rechtslehrer in eigener Sache.[1] Neu an der vorstehend abgedruckten Entscheidung des AG Tempelhof-Kreuzberg ist aber die Frage der Aufteilung der Gebühren, wenn ein Anwalt das Verfahren geführt hat, aber den Termin nur ein Rechtslehrer wahrgenommen hatte. Steht die Terminsgebühr dem Anwalt zu wie bei der Vertretung durch einen Stationsreferendar, oder steht die Gebühr ausschließlich dem Rechtslehrer zu, der den Termin wahrgenommen hatte? Zutreffend hat das AG entschieden, dass die Gebühr nur dem Rechtslehrer zusteht. Denn dem Rechtslehrer a. D. steht ein eigenes Recht auf die Terminsgebühr zu, welche der Anwalt nur mit ausdrücklichem Einverständnis des Rechtslehrers festsetzen lassen darf.

Dir. Klaus Dieter Deumeland, Berlin

[1] Deumeland, ÖHZ Heft 5, 2010, 20; Deumeland, europa-blätter 2010, 56; Geis, Hochschulrecht im Freistaat Bayern, 2009, S. 382; Deumeland, RiA 1991, 27 und RiA 1988, 118.
[1] Deumeland, RiA 1988, 119; Willems RV 2007, 146; Willems, Die unterschiedliche Interessenwahrnehmungsbefugnis des Rechtslehrers im deutschen Verfahrensrecht, 2001, S. 219.
[1] OLG Jena StraFo 1999, 349; AG Essen-Borbeck VR 2009, 321; KG, Beschl. v. 31.10.2005 – 24 W 78/04 u. Beschl. v. 16.10.2006 – 24 W 253/06; Deumeland, europa-blätter 2001, S. 55, 56; Deumeland, RV 2006, 199.
[1] Deumeland, europa-blätter 2001, 55 ff. m. w. Nachw.
[1] Siehe Protokoll der Großen Strafprozesskommission, 1. Sitzung v. 14.12.1936, Allgemeine Einleitung sub. I, 1 und Begründung zu § 135.
[1] Z.B. Stefan Korioth und Brun-Otto Bryde.
[1] BVerwGE 52, 322; BGH NJW-RR 2009, 15, 77.
[1] Deumeland, VR 2009, 321 u. ZMR 1996, 386; AnwK-RVG/N. Schneider, 5. Aufl., 2010, § 5 Rn 46; Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl. 2009, § 5 Rn 35; Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, § 5 RVG Rn 11.
[1] OLG München AGS 2001, 285; OLG München VuR 2002, 224 m. Anm. Deumeland; VG Wiesbaden HessVGRspr. 1996, 79; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. 2004, § 91 Rn 89; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl. 2010, § 85 Rn 18; Göttlich/Mümmler/Vogt, RVG, 3. Aufl. 2010, S. 513; MüKo-ZPO/Giebel, 3. Aufl. 2008, § 91 Rn 128; Baumbach/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. 2010, § 91 Rn 107; vgl. Deumeland, VR 2009, 321; Deumeland RV 2006, 199.
[1] AG Starnberg RVGReport 2008, 320; AG Tempelhof-Kreuzberg, Beschl. v. 21.4.2008 – 5 C 452/07; VG Augsburg, Beschl. v. 25.3.1982 – A u. 184 IV 79; Deumeland VR 2009, 321; Zöller, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 91 Rn 13; Prütting/Gehrlein/N. Schneider, ZPO, 2. Aufl. 2010, § 91 Rn 66.

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