Zur Entscheidung berufen ist der Spruchkörper in der Besetzung nach § 5 Abs. 3 S. 2 VwGO, da auch der Gerichtsbescheid durch den gesamten Spruchkörper ergangen ist (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Olbertz, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 165 Rn 9).
Die nach den §§ 165, 151 VwGO statthafte und auch i.Ü. zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Das Vergütungsverzeichnis, Anlage 1 des RVG, ordnet zur Terminsgebühr bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid folgendes an:
Nr. |
Gebührentatbestand |
Gebühr oder Satz der Gebühr nach § 13 RVG |
3104 |
Terminsgebühr, soweit in Nummer 3106 [betrifft nur Sozialgerichtsbarkeit] nichts anderes bestimmt ist |
1,2 |
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(1) Die Gebühr entsteht auch, wenn |
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1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gem. § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird, |
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2. nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder |
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3. das Verfahren vor dem Sozialgericht, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet. |
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(2) bis (3) … |
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Damit entsteht die Terminsgebühr, wenn "nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann". Nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO kann "das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist", wobei "die Beteiligten vorher zu hören" sind und "die Vorschriften über Urteile entsprechend" gelten. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben, denn die Frist zur Überstellung des Antragsgegners nach Italien war abgelaufen und die Antragstellerin hatte ihre Abschiebungsanordnung gleichwohl aufrechterhalten. Durch Allgemeine Prozesserklärung hat die Antragstellerin Verzicht erklärt auf ihre "Anhörung gem. § 84 Abs. 1 S. 2 VwGO vor Erlass eines Gerichtsbescheids". Soweit der Antragstellerin gleichwohl eine Gerichtsbescheidsanfrage mit zweiwöchiger Äußerungsfrist zugestellt worden ist, hat sie sich nicht gegen den Gerichtsbescheid mit der Begründung gewandt, mangels Fristablaufs sei ihr rechtliches Gehör versagt worden.
Soweit die Antragstellerin meint, Nr. 3104 VV erfasse nur Fälle von Gerichtsbescheiden i.S.v. § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO – also die Fälle, in denen kein Rechtsmittel gegeben ist, sondern allein der Rechtsbehelf des Antrags auf mündliche Verhandlung besteht – ist dem schon deshalb nicht zu folgen, als hierfür der Wortlaut der Vorschrift schlicht nichts enthält. Das Gericht folgt der Begründung im Beschl. d. VG Hamburg v. 9.11.2017 (1 KO 8346/17, juris Rn 22). Soweit der Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes das Ziel verfolgte, "die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr konsequent auf die Fälle [zu] beschränk[en], in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig" sei, "im Fall des Gerichtsbescheids im Verfahren nach der VwGO [es] allein in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts [liege], das Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu beenden" und "die Beteiligten nur dann eine mündliche Verhandlung beantragen [könnten], wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben" sei sowie "das Entstehen der Terminsgebühr, ohne dass ein Termin stattgefunden hat, daher auf diese Fälle beschränkt werden" solle (BT-Drucks 17/11471 [neu], 275), ist diese Motivation schon deshalb unbeachtlich, da sie ohne Anklang im Normbefehl ist und § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO durchaus ein Wahlrecht zwischen Antrag auf mündliche Verhandlung und Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet. Die Motivlage scheint daher von früheren Ausgestaltungen des Gerichtsbescheids geprägt.
Entsprechendes gilt für den zweiten Einwand der Antragstellerin, nämlich dass der obsiegende Antragsgegner einen Antrag auf mündliche Verhandlung mangels Beschwer gar nicht zulässigerweise stellen könne. Auch diese Auslegung findet im Normbefehl keine Stütze, denn dieser führt mit keinem Wort an, wer den Antrag auf mündliche Verhandlung stellen können müsse. Mit dem VG Hamburg (a.a.O., Rn 27) hat das Gericht Zweifel, ob aufgrund der Rspr. des BVerwG im Beschl. v. 15.8.2017 (5 PKH 1/17 D, juris Rn 9) de lege lata der Sichtweise der Antragstellerin gefolgt werden dürfte, ein solcher Antrag sei ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen. Unabhängig davon erscheint es systemwidrig, die Entstehung einer anwaltlichen Gebühr an ein Obsiegen oder Unterliegen zu knüpfen.
AGS 1/2019, S. 8 - 9