Die ZPO sieht in der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit einer gütlichen Einigung vor. Nach § 802b Abs. 1 ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. Der Gerichtsvollzieher ist bereits aufgrund des Vollstreckungsauftrags befugt, eine gütliche Erledigung zu versuchen (§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Nach Auffassung des BGH kann der Gläubiger jedoch seinen Vollstreckungsauftrag auf einen Einigungsversuch beschränken.[22]

Der BGH hat hierzu entschieden,[23] dass eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG vorliegt, wenn der Versuch einer gütlichen Erledigung als isolierte Vollstreckungsmaßnahme in einem gesonderten Vollstreckungsauftrag beantragt wird. Es fällt dann eine gesonderte Gebühr nach Nr. 3309 VV nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV an.

Ist der Versuch einer gütlichen Erledigung hingegen nicht als isolierte Vollstreckungsmaßnahme in einem gesonderten Vollstreckungsauftrag beantragt, stellt er keine besondere Angelegenheit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG dar, sodass auch keine gesonderte Gebühr und Auslagenpauschale anfällt.[24] Der gescheiterte Versuch der gütlichen Einigung stellt im Fall des kombinierten Vollstreckungsauftrags lediglich eine bloße vorbereitende Vollstreckungshandlung dar, die nur dazu dient, die nachfolgenden Vollstreckungsmaßnahmen zu betreiben.[25]

 

Beispiel 1

Es wird wegen einer Forderung von 10.000,00 EUR (einschließlich Nebenforderungen) ein Vollstreckungsauftrag gestellt, sodass der Gerichtsvollzieher automatisch auch mit der Durchführung einer gütlichen Einigung beauftragt wird.

Der Anwalt kann folgende Vergütung fordern:

 
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV 167,40 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)  
2. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 35,61 EUR
Gesamt 223,01 EUR

Die Durchführung der gütlichen Einigung ist gebührenrechtlich dem Vollstreckungsauftrag zuzuordnen, da insoweit kein isolierter Antrag gestellt wurde.

 

Beispiel 2

Wegen einer Forderung von 10.000,00 EUR (einschließlich Nebenforderungen) wird der bloße Versuch einer gütlichen Einigung beantragt. Nachdem diese scheitert, wird ein Vollstreckungsantrag gestellt.

Der Anwalt kann folgende Vergütung fordern:

 
I. Gütliche Einigung
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV 167,40 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)  
2. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 35,61 EUR
Gesamt 223,01 EUR
 
II. Vollstreckungsauftrag
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV 167,40 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)  
2. Postpauschale, Nr. 7002 VV 20,00 EUR
3. Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV 35,61 EUR
Gesamt 223,01 EUR
Gesamt I. + II. 446,02 EUR

Die Durchführung der gütlichen Einigung wurde isoliert beantragt, sodass sie gegenüber dem späteren Vollstreckungsauftrag eine besondere gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt.

[22] BGH AGS 2019, 393 m. zust. Anm. Volpert.
[23] BGH AGS 2019, 393 m. zust. Anm. Volpert.
[24] BGH AGS 2019, 393 m. zust. Anm. Volpert; Enders, JurBüro 2012, 633; Volpert, RVGreport 2013, 375.
[25] Zu dieser Problematik siehe auch die Ausführungen von Volpert in AGS 2019, 393 hinsichtlich der Anwaltsvergütung bei Beantragung eines gütlichen Erledigungsversuchs im Zuge eines Auftrags, weitere Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.

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