RVG VV Nrn. 5100, 5200 ff.

Leitsatz

  1. Sowohl bei der Einreichung eines Antrages auf gerichtliche Entscheidung als auch bei einzelnen Beistandsleistungen für einen Zeugen handelt es sich um Einzeltätigkeiten i.S.v. Nr. 5200 VV.
  2. Eine Grundgebühr für das Bußgeldverfahren nach Nr. 5100 VV entsteht für den mit einer Einzeltätigkeit in einer Bußgeldsache beauftragten Rechtsanwalt nicht.

LG Bielefeld, Beschl. v. 1.10.2019 – 10 Qs 276/19

1 Sachverhalt

Nach einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch ein auf die T. GmbH zugelassenes Fahrzeug schrieb der Beschwerdeführer die T. GmbH an und bat um Mitteilung der Personalien der verantwortlichen Person. Geschäftsführer der vorgenannten Gesellschaft ist der Betroffene, der Beschwerdegegner in diesem Verfahren ist.

Da das Anschreiben wie auch diesbezügliche Erinnerungen unbeantwortet blieben, wurde der Betroffene als Zeuge vorgeladen. Hierauf meldete sich ein Rechtsanwalt für die T. GmbH. Er teilte mit, dass das in Rede stehende Fahrzeug auch den Organen der vorgenannten Gesellschaft zur Nutzung überlassen sei, sodass diese als mögliche Betroffene in Betracht kämen. Insofern mache seine Mandantschaft vorerst von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Der Betroffene werde auf anwaltliches Anraten der Vorladung keine Folge leisten. Weiter benannte er drei Personen, darunter auch den Betroffenen, die als Fahrer in Betracht kämen.

In der Folge setzte der Beschwerdeführer durch Bescheid ein Ordnungsgeld i.H.v. 100,00 EUR gegen den Betroffenen fest, mit der Begründung, dass dieser trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt zum Vorladungstermin nicht erschienen sei. Hierauf meldete sich erneut der Rechtsanwalt, zeigte die Vertretung des Betroffenen an und beantragte gegen den Ordnungsgeldbeschluss die gerichtliche Entscheidung.

Mit Beschluss des AG wurde der Ordnungsgeldbescheid aufgehoben. Weiter wurde ausgesprochen, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen die Stadtkasse zu tragen habe.

Auf Grundlage dieses Beschlusses beantragte der Rechtsanwalt die Kostenfestsetzung in Höhe eines Betrages von insgesamt 547,40 EUR unter Ansatz der nachstehenden Positionen:

 
Praxis-Beispiel
 
Nr. 5100 VV Grundgebühr in Bußgeldsachen 100,00 EUR
Nr. 5103 VV Verfahrensgebühr (Verwaltungsverfahren) 160,00 EUR
Nr. 5109 VV Verfahrensgebühr (gerichtliches Verfahren) 160,00 EUR
Nr. 7002 VV Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR
Nr. 7002 VV Post- und Telekommunikationspauschale 20,00 EUR
  460,00 EUR
zzgl. Umsatzsteuer = 547,40 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des AG ist dem Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang entsprochen worden.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des Ordnungsgeldverfahrens um eine vom Bußgeldverfahren losgelöste Angelegenheit handele, die lediglich als Einzeltätigkeit nach Nr. 5200 VV abgerechnet werden könne. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine vollwertige Vertretung im Bußgeldverfahren vorliege, sei jedenfalls durch die Verfahrensgebühr für das Verwaltungsverfahren nach Nr. 5103 VV auch die Einlegung des Rechtsbehelfs nach § 62 OWiG abgegolten. Insofern könnten zusätzlich weder die Gebühr nach Nr. 5109 VV noch ein zweites Mal die Post- und Telekommunikationspauschale abgerechnet werden.

Der Betroffene ist dagegen sinngemäß der Auffassung, dass nicht lediglich eine Einzeltätigkeit im Hinblick auf das verhängte Ordnungsgeld vorliege, sondern auch eine Vertretung des Zeugen im Bußgeldverfahren erfolgt sei. Weiter sei durch die Beantragung der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG zusätzlich die gerichtliche Verfahrensgebühr angefallen.

Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.

1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt aus den § 46 Abs. 1 OWiG, §§ 464b, 304 ff., 311 StPO, §§ 103, 104 Abs. 1, 3 S. 1 ZPO. Sie ist insbesondere auch fristgerecht eingelegt worden.

2. Auf Grundlage des Beschlusses des AG können lediglich notwendige Auslagen i.H.v. 92,82 EUR festgesetzt werden.

a) Insofern ist zunächst klarzustellen, dass sich die Kostengrundentscheidung aus dem Beschluss des AG lediglich auf das Ordnungsgeldverfahren bezieht, das sich vorliegend als eigenständige Angelegenheit aus dem Bußgeldverfahren entwickelt hat. Er bildet dagegen keine Grundlage für die Festsetzung notwendiger Auslagen, die durch die Vertretung im Bußgeldverfahren entstanden sind. Hinsichtlich dieser Kosten ist bisher keine Kostengrundentscheidung ergangen.

Insofern ist es also in Bezug auf die hier festzusetzenden Kosten unerheblich, ob der Betroffene im Bußgeldverfahren als Zeuge von einem Rechtsanwalt der Kanzlei umfassend vertreten worden sein sollte. Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, wieso die Kosten für die Tätigkeit als Beistand eines Zeugen im Bußgeldverfahren überhaupt der Staatskasse bzw. Stadtkasse zur Last fa...

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