RVG VV Nrn. 3100, 3101; ZPO § 269 Abs. 4
Leitsatz
Beantragt der Anwalt des Beklagten nach einer Klagerücknahme, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, so entsteht dadurch eine volle Verfahrensgebühr, auch wenn der Anwalt zuvor nur die Verteidigungsbereitschaft angezeigt hat, ohne einen Antrag auf Klageabweisung zustellen.
LG Frankfurt a.M., Beschl. v. 11.11.2019 – 2-13 T 90/19
1 Sachverhalt
Der Kläger hatte eine Beschlussanfechtungsklage erhoben. Daraufhin hat der Beklagtenvertreter die Interessenvertretung des Beklagten angezeigt. Eine Begründung der Anfechtungsklage durch den Kläger erfolgte nicht mehr. Vielmehr nahm dieser die Klage wieder zurück. Hiernach hat der Beklagtenvertreter für den Beklagten beantragt, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, was auch erfolgte. Hiernach hat der Beklagte die Festsetzung einer 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Wert der Hauptsache beantragt. Das AG hat antragsgemäß festgesetzt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers, die allerdings keinen Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gem. § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO statthaft und zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist allerdings unbegründet. Insoweit kann auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen werden. Die 1,3-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV entsteht nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV für das Betreiben des Geschäfts, zu dem u.a. das Einreichen von Schriftsätzen bei Gericht gehört. Allerdings ermäßigt sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags auf das 0,8-fache. Eine solche vorzeitige Beendigung liegt vor, wenn der Auftrag endet, bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz, der Sachanträge oder Sachvortrag enthält, eingereicht hat.
Hat der Rechtsanwalt einen Schriftsatz eingereicht, der Sachanträge enthält, kommt eine vorzeitige Beendigung des Auftrags und damit eine Ermäßigung der Gebühr nicht mehr in Betracht. Allein die Stellung der Sachanträge löst dabei die volle Verfahrensgebühr aus, auch wenn der Schriftsatz des Rechtsmittelgegners keinen Sachvortrag zur Begründung seines Antrags enthält (BGH, Beschl. v. 30.9.2014 – XI ZB 21/13, BeckRS 2014, 19461).
Um einen solchen Sachantrag handelt es sich bei dem Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits bei Klagerücknahme aufzuerlegen entgegen der Auffassung der Beschwerde. Im Gegensatz zu keinen für sich genommen die Wirkungen von Nr. 3100 VV auslösenden nur das Verfahren betreffenden Anträgen handelt es sich dann um einen Sachantrag, wenn dieser dazu bestimmt ist, eine bestimmte gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (vgl. nur Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 24. Aufl., 2019, VV 3101 Rn 25). Dies ist bei einem Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO der Fall, denn dieser Antrag gilt nicht nur der Verfahrensgestaltung, sondern ist in § 269 Abs. 4 ZPO als zwingende Voraussetzung für eine Kostentragungspflicht des Klägers ausgestaltet worden (vgl. statt aller MüKo-ZPO/Becker-Eberhard, § 269 Rn 68). Damit handelt es sich um einen für eine gerichtliche Entscheidung notweniges Kriterium und damit um einen Sachantrag.
Nachdem dieser vom Beklagtenvertreter gestellt wurde, konnte sich der Auftrag nicht mehr mit der Folge der Gebührenermäßigung erledigen.
3 Anmerkung
Wie abzurechnen ist, wenn der Anwalt für den Beklagten dessen Verteidigungsbereitschaft anzeigt, ohne bereits einen Sachantrag zu stellen, die Klage hiernach zurückgenommen wird und der Beklagtenanwalt nunmehr einen Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO stellt, wird in der Rspr. unterschiedlich beantwortet. Die verschiedenen Auffassungen mögen lassen sich am Besten an einem Beispiel erläutern:
Beispiel
Der Kläger K klagt auf Zahlung von 20.000,00 EUR. Der Rechtsanwalt des Beklagten R zeigt dessen Verteidigungsbereitschaft an, ohne jedoch bereits Klageabweisung zu beantragen. Bevor R zur Sache erwidern kann, nimmt K die Klage wieder zurück. Daraufhin beantragt R, gem. § 269 Abs. 4 ZPO dem K die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Unstrittig ist, dass die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr auslöst, da sie noch keinen Sachantrag enthält.
1. Die Anzeige der Verteidigungsabsicht und der Antrag auf Terminsverlegung lösen keine Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 aus.
2. Wurde bis zur Rücknahme der Klage vom Beklagtenvertreter kein Sachantrag (Antrag auf Klageabweisung) eingereicht und kein gerichtlicher Termin wahrgenommen, ist für ihn nur eine 0,8-Verfahrensgebühr entstanden.
LG Stuttgart, Beschl. v. 17.9.2014 – 19 O 148/13
Nach Auffassung des LG Frankfurt erstarkt diese Gebühr jetzt zu einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr, wenn der Kostenantrag gestellt wird. Danach wäre wie folgt zu rechnen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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964,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
984,60 EUR |
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3. |
19% Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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187,07 EUR |
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Gesamt |
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1.171,67 EUR |
Nach a....