Rz. 94

Der Ausspruch über die Verpflichtung, die Kosten zu tragen, gehört zum Rechtszug und wird daher mit den dort entstandenen Gebühren abgegolten. Eine Ausnahme besteht, wenn der Rechtsanwalt ausschließlich damit beauftragt wird, einen Kostenantrag zu stellen. Für diese Einzeltätigkeit entsteht eine 0,8-Verfahrensgebühr gem. VV 3403.

In § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist die Kostentragung nach Klagerücknahme geregelt, soweit noch nicht rechtskräftig über sie erkannt wurde. Somit gehört der Antrag (§ 269 Abs. 4 S. 1 ZPO), dem Gegner die Kosten aufzuerlegen, zum Rechtszug und wird durch die Verfahrensgebühr abgegolten. In der Regel ist in einem solchen Fall zunächst für den Bevollmächtigten eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert der Hauptsache entstanden (VV 3101 Nr. 1). Die Stellung des Kostenantrages löst als Sachantrag gem. VV 3100 zusätzlich eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenstreitwert aus. Gem. § 15 Abs. 3 kann allerdings nicht mehr als eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachestreitwert beansprucht werden.[107]

 

Rz. 95

 

Beispiel: Eingeklagt sind 10.000 EUR. Nach Zustellung der Klageschrift und Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens lässt der Beklagte durch seinen Anwalt die Verteidigungsbereitschaft anzeigen. Bevor der Beklagtenvertreter eine Klageerwiderung einreichen kann, wird die Klage zurückgenommen. Daraufhin beantragt der Beklagtenvertreter, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Es ist einhellige Auffassung, dass die bloße Anzeige der Verteidigungsbereitschaft lediglich eine 0,8-Verfahrensgebühr auslöst, da sie noch keinen Sachantrag enthält.[108] Wird also nach Anzeige der Verteidigungsbereitschaft die Klage zurückgenommen, liegt eine vorzeitige Erledigung i.S.d. VV 3101 Nr. 1 vor.

Nach Auffassung des AG Nürtingen[109] löst der Kostenantrag über die 0,8-Verfahrensgebühr hinaus keine weitere Vergütung aus. Grund hierfür sei, dass nach Abs. 1 S. 2 Nr. 9 der Antrag auf Erlass einer Kostenentscheidung mit zum Rechtszug gehöre und damit durch die Verfahrensgebühr abgegolten sei. Das LG Frankfurt a.M.[110] wiederum ist der Auffassung, dass durch den Kostenantrag die volle 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert ausgelöst werde, da es sich insoweit um einen Sachantrag i.S.d. VV 3101 Nr. 1 handele, der damit einer Ermäßigung der Verfahrensgebühr entgegenstehe. Nach zutreffender Auffassung[111] ist dagegen zu differenzieren. Hinsichtlich der Hauptsache bleibt es dabei, dass es an einem Sachantrag fehlt, so dass insoweit nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach VV 3101 Nr. 1 anfällt. Für den Kostenantrag ist dagegen von einer 1,3-Verfahrensgebühr auszugehen, da es sich um einen Sachantrag handelt. Der Gegenstandswert der vollen Verfahrensgebühr richtet sich dann allerdings nur nach dem Kosteninteresse (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG i.V.m. § 43 Abs. 3 GKG). Hiernach sind dann beide Gebühren gem. § 15 Abs. 3 zu kürzen auf eine Gebühr nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtwert. Dies bedeutet, dass insgesamt maximal eine 1,3-Gebühr aus dem Wert der Hauptsache anfallen kann, da Hauptsache und Kosten gem. § 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 43 Abs. 1 GKG nicht zusammengerechnet werden dürfen.

Geht man im Beispiel von einem Kostenstreitwert i.H.v. bis 2.000 EUR aus (zwei Anwälte und eine 1,0-Gerichtsgenbühr), ergibt sich folgende Abrechnung:

 
1. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3100, 3101 (Wert: 10.000,00 EUR)   491,20 EUR
2.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 (Wert: bis 2.000,00 EUR)

(die Grenze des § 15 Abs. 3, nicht mehr als 1,3 aus 10.000,00 EUR = 798,20 EUR ist nicht überschritten)
  215,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 655,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   124,45 EUR
Gesamt   779,45 EUR
 

Rz. 96

Nach § 91a ZPO entscheidet das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits, wenn dieser durch übereinstimmende Erledigungserklärungen durch die Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss und ist ohne mündliche Verhandlung möglich. Es gilt daher dasselbe wie beim Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO.

 

Rz. 97

Anders verhält es sich im Falle einer Berufungsrücknahme. Hier entsteht keine 1,6-Verfahrensgebühr nach VV 3200 aus dem Kostenstreitwert des Berufungsrechtszuges. Denn nach der Änderung des § 516 Abs. 3 ZPO durch das ZPO-Reformgesetz ist für eine Kostenentscheidung kein Antrag mehr erforderlich.

[107] Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 19 Rn 99 und Anh. VI Rn 331; a.A. AG Nürtingen 21.7.2016 – 17 C 2651/15.
[108] LG Stuttgart 17.7.2014 – 19 O 148/13, AGS 2014, 501; ebenso zur vergleichbaren Rechtslage nach der BRAGO: OLG Düsseldorf 15.8.2000 – 10 W 70/00, AGS 2001, 54 = BRAGOreport 2002, 41; OLG Koblenz JurBüro 1988, 1365; OLG Koblenz JurBüro 1981, 1518.
[109] AGS 2016, 455 = RVGreport 2016, 422 = NJW-Spezial 2017, 61.
[110] LG Frankfurt a.M. 11.11.2019 – 2–13 T 90/19, AGS 2020, 8.
[111] OLG Köln 29.6.1987 – 17 W 320/87, JurBüro 1989, 491 m. Anm. Mümmler; OLG Düsseldorf 1.3.1983 – 10 W 139/82, JurBüro 1983, 1334.

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