Rz. 83
Die Verfahrensgebühr kann auch nach Abschluss des Rechtsstreits entstehen, wenn der beauftragte Anwalt entsprechend tätig wird. So fällt für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten auch dann eine volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 gemäß VV 3100 an, wenn er erst nach Klagerücknahme einen Sachantrag oder einen Schriftsatz mit Sachvortrag bei Gericht einreicht, ihm aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass die Klage zurückgenommen worden ist. Die volle Verfahrensgebühr ist in diesem Fall auch erstattungsfähig.
Rz. 84
Beruht die Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten des Beklagten allerdings auf einem in der Sphäre des Beklagten liegenden Kommunikationsmangel, kann der Beklagte vom Kläger nur die reduzierte Gebühr nach VV 3101 Nr. 1 i.H.v. 0,8 erstattet verlangen. Soweit im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und seinem Anwalt die Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten bezüglich der Klagerücknahme von dem Mandanten zu verantworten ist, erscheint es angemessen, dem Rechtsanwalt den vollen Gebührenanspruch i.H.v. 1,3 gegenüber dem Mandanten zuzusprechen.
Rz. 85
Wird der Anwalt des Beklagten nach Klagerücknahme nur hinsichtlich der Kostenentscheidung tätig, so entsteht die (volle) Verfahrensgebühr nur aus dem Kostenwert. Ist vor Klagerücknahme von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten das Tätigkeitsniveau des VV 3101 Nr. 1 nicht überschritten worden, erhält der Rechtsanwalt für seine Tätigkeit bis zur Klagerücknahme eine Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 nach VV 3101 Nr. 1 aus dem Wert der zurückgenommenen Klage sowie eine volle Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 nach VV 3100 für den Kostenantrag nach § 269 Abs. 4 ZPO aus dem Kostenwert. Die beiden Verfahrensgebühren dürfen gemäß § 15 Abs. 3 zusammen nicht höher sein als eine 1,3-Gebühr aus dem Hauptsachewert.
Beispiel: Es wird eine Klage auf Zahlung von 10.000 EUR erhoben und dem Beklagten auch zugestellt. Der Beklagte beauftragt einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen in diesem Klageverfahren. Noch bevor der Rechtsanwalt einen Schriftsatz (z.B. mit einem Klageabweisungsantrag) bei Gericht eingereicht hat, nimmt der Kläger die Klage zurück. Der Rechtsanwalt des Beklagten beantragt daraufhin gemäß § 269 Abs. 4 ZPO, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss aufzuerlegen. Es ergeht ein entsprechender Beschluss. Der Rechtsanwalt des Beklagten kann folgende Gebühren berechnen:
Streitwert: 10.000 EUR
1. 0,8-Verfahrensgebühr, VV 3101 Nr. 1 |
491,20 EUR |
Streitwert: (geschätzte Kosten des Verfahrens) bis 1.500 EUR
2. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
165,10 EUR |
Kontrolle gemäß § 15 Abs. 3: Die Summe aus 1. und 2. darf nicht höher sein als eine Verfahrensgebühr i.H.v. 1,3 nach dem Wert von 10.000 EUR. Hier beträgt die Summe 656,30 EUR. Da eine Gebühr i.H.v. 1,3 nach dem ursprünglichen Wert 798,20 EUR beträgt, verbleibt es bei den oben berechneten Gebühren. Die Kosten bleiben bei der Bemessung des Streitwertes unberücksichtigt, es ist bei der Kontrolle nur der Streitwert der Hauptsache heranzuziehen.