Der zum 1.1.2013 eingefügte § 33 Abs. 2 S. 4 EStG regelt nach Auffassung des Hess. FG nunmehr gesetzlich die Frage der Abzugsfähigkeit von Prozesskosten. Die Norm betreffe grds. jedes gerichtliche Verfahren, somit auch Strafverfahren (Loschelder, in: Schmidt, Kommentar zum EStG, 38. Aufl., 2019, § 33 Tz. 67; BFH, Urt. v. 18.5.2017 – VI R 9/16, BStBl II 2017, 988). Nach der Rspr. des BFH (Urt. v. 16.4.2013 – IX R 5/12, BStBl II 2013, 806 m.w.N.) stellen Strafverteidigerkosten eines rechtskräftig Verurteilten keine außergewöhnliche Belastung dar, da es an einer Unausweichlichkeit der Aufwendungen fehle; Prozesskosten entstehen nur bei sanktionierten Straftätern, wobei die Straftat nicht unausweichlich war.
1. Besonderheiten bei der Verwarnung nach dem JGG
Hier war nach den weiteren Ausführungen des Hess.FG der Sohn der Kläger wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte im erschwerten Fall tateinheitlich mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, tateinheitlich mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, sowie des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach Jugendrecht verwarnt und ihm weitere Auflagen erteilt worden. Dieser Strafausspruch sei der Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes – JGG – geschuldet. Der Sohn der Kläger sei jedoch nicht freigesprochen worden, was im Rahmen der Anwendung des § 33 EStG von Bedeutung sei, wobei im Falle eines Freispruchs ohnehin keine Prozesskosten angefallen wären. Der Sohn der Kläger hätte daher diese Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung in Ansatz bringen können. Nichts Anderes könne für den Fall gelten, dass – wie vorliegend – die Eltern die Kosten übernommen haben.
2. Alte Rechtsprechung nicht mehr anwendbar
Die Kläger können sich nach Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG nicht (mehr) auf die Entscheidung des BFH (Urt. v. 23.5.1990 – III R 145/85) und v. 30.10.2003 (III R 23/02) berufen. Zwar habe der BFH im Urteil III R 145/85 entschieden, dass die Kosten für die Strafverteidigung eines eines Verbrechens beschuldigten Kindes für die Eltern aus sittlichen Gründen zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG sein können und dies im Urteil III R 23/02 bei Jugendlichen und Heranwachsenden bejaht, bei Volljährigen jedoch offengelassen. Die Urteile stammen jedoch aus einer Zeit deutlich vor Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG und seien somit zu einer anderen Gesetzeslage ergangen und können nicht ohne Weiteres auf die Gesetzeslage im vorliegend streitigen Zeitraum 2017, somit nach Einfügung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG, übertragen werden.
Das FG ist auch nicht der Rechtsauffassung der Kläger gefolgt, dass die neue Gesetzeslage insoweit unbeachtlich sei, da der Gesetzgeber die allgemeinen Grundsätze der früheren Rspr. nicht habe wieder verändern oder einschränken wollen. Eine Gesetzesbegründung zu § 33 Abs. 2 S. 4 EStG liege nicht vor (vgl. zur Entstehungsgeschichte Heim DStZ 2014, 165). Richtig sei zwar, dass der Gesetzgeber angesichts des Wortlauts der Norm an die "alte" Rspr. des BFH anknüpfen wollte. Die (umstrittene) Problematik "Prozesskosten" sei nach Auffassung jedoch nunmehr abschließend gesetzlich geregelt worden. Dass über die im Gesetz genannten Einschränkungen hinaus noch weitere Ausnahmen, etwa bezogen auf Strafprozesskosten für Heranwachsende, vorgesehen werden sollten, sei nicht erkennbar.
3. Gesetzeswortlaut eindeutig
Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und umfasst somit sowohl eigene Prozesskosten auch als auch solche für Dritte (so auch Frotscher, EStG, Lfg. 6/2018, § 33 Tz 101; Blümich, EStG, § 33 EL. 5/2019, Tz. 242). Soweit Mellinghoff (in: Kirchhof, EStG, 18. Aufl., § 33 Tz. 47c) die Auffassung vertrete, dass Aufwendungen der Eltern für die Strafverteidigung ihres volljährigen Kindes als außergewöhnliche Belastung nur dann steuermindernd zu berücksichtigen seien, wenn es sich um ein innerlich noch nicht gefestigtes, erst heranwachsendes Kind handele, dessen Verfehlung strafrechtlich noch nach dem Jugendstrafrecht geahndet werden konnte, könne der Senat dem aufgrund des neu eingefügten § 33 Abs. 2 S. 4 EStG, der – wie oben dargestellt – die Problematik "Prozesskosten" abschließend und umfassend regelt, nicht folgen.