[Ohne Titel]
Nachdem in AGS 2021, 443 die Grundgebühr Nr. 4100 VV bzw. Nr. 5100 VV vorgestellt wurde, widmet sich der folgende Beitrag der Verfahrensgebühr. Darüber ist bereits 2009 in RVGreport 2009, 443 berichtet worden. Die dortigen Ausführungen werden nun auf den neuesten Stand gebracht. Diese Beitragsreihe wird demnächst mit einem weiteren Update zur Terminsgebühr fortgesetzt.
I. Allgemeines
Für das Strafverfahren regelt Vorbem. 4 Abs. 2 VV allgemein den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr. Eine gleichlautende Regelung ist für das Bußgeldverfahren in Vorbem. 5 Abs. 2 VV enthalten. Die nachfolgenden Ausführungen gelten also sowohl für das Straf- als auch für das Bußgeldverfahren.
Der Rechtsanwalt verdient die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (wegen der Einzelh. s. unten II.). Diese Tätigkeiten des Rechtsanwalts wurden in der BRAGO durch die sog. Hauptverhandlungsgebühr (§ 83 BRAGO) (mit-)erfasst. Die Einführung der (besonderen) Verfahrensgebühr durch das RVG ermöglicht – ebenso wie die Einführung der Grundgebühr Nr. 4100 VV –, den Umfang der verschiedenen Tätigkeiten des Rechtsanwalts besser als nach der BRAGO aufwandsbezogen zu berücksichtigen.
Die in Teil 4 Abs. 2 VV bzw. Teil 5 Abs. 2 VV enthaltenen Definitionen der Verfahrensgebühr gelten für alle Verfahrensgebühren, die der Rechtsanwalt im Straf- bzw. im Bußgeldverfahren nach Teil 4 VV bzw. nach Teil 5 VV verdienen kann. Das sind die Verfahrensgebühren
• |
im vorbereitenden Verfahren (Nr. 4104 VV), |
• |
im gerichtlichen Verfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV (Nrn. 4106, 4112, 4118, 4124, 4130 VV), |
• |
im Wiederaufnahmeverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV (Nrn. 4136 ff. VV), |
• |
die "zusätzlichen" Gebühren aus Unterabschnitt 5 (Nrn. 4141, 4142, 4143 f. VV) und |
• |
die Verfahrensgebühren Nrn. 4145, 4146 VV, "Strafvollstreckung" in Teil 4 Abschnitt 2 VV (Nrn. 4200, 4204 VV) sowie |
• |
die "Einzeltätigkeiten" aus Teil 4 Abschnitt 3 VV. |
Im Bußgeldverfahren sind ähnliche Verfahrensgebühren vorgesehen. |
|
Die Verfahrensgebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV (Nrn. 4106, 4112, 4118 VV) sind im gerichtlichen Verfahren des ersten Rechtszugs hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr von der Ordnung des Gerichts, bei dem der Rechtsanwalt tätig wird, abhängig. Damit soll die Schwierigkeit und Bedeutung des jeweiligen Verfahrens bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühren berücksichtigt werden (s. auch III.). Die übrigen Verfahrensgebühren, also z.B. die für das Berufungs- oder das Revisionsverfahren (Nrn. 4124, 4130 VV), sind nicht von der Ordnung des Gerichts abhängig
II. Persönlicher Anwendungsbereich
Die Verfahrensgebühren stehen sowohl dem Wahlanwalt als dem Pflichtverteidiger sowie auch dem sonstigen Vertreter oder Beistand eines Verfahrensbeteiligten zu, wenn er in einer dieser Funktionen tätig wird. Das folgt aus Vorbem. 4 Abs. 1 VV. Wird der Rechtsanwalt nur im Rahmen einer Einzeltätigkeit tätig, entstehen die Verfahrensgebühren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV.
III. Abgeltungsbereich
1. Allgemeines
a) Betreiben des Geschäfts
Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Diese Formulierung entspricht teilweise der in § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zur früheren Geschäftsgebühr. Die Gebühr entsteht mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers im jeweiligen Verfahrensabschnitt. Durch die Verfahrensgebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt und jeweiligen Rechtszug, für den die Verfahrensgebühr geltend gemacht wird, abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind.
Die Tätigkeiten des Rechtsanwalts müssen sich nicht aus den Verfahrensakten ergeben. Eine Verfahrensgebühr entsteht nämlich nicht nur für nach außen erkennbares Tätigwerden des Rechtsanwalts. Insbesondere sind für das Entstehen der Gebühr nicht Tätigkeiten gegenüber dem Gericht erforderlich. Die Verfahrensgebühr entsteht für jede Tätigkeit des Rechtsanwalts, die in den Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr fällt. Ausreichend ist also z.B. auch eine Tätigkeit nur gegenüber dem Mandanten, wie z.B. eine Beratung und/oder Besprechung usw. Die Verfahrensgebühr fällt auch dann an, wenn der Rechtsanwalt z.B. erst im Hauptverhandlungstermin bestellt wird. Allerdings sollte der Verteidiger/Rechtsanwalt, wenn sich seine Tätigkeit für den Mandanten nicht aus der Akte ergibt, bei der Gebührenfestsetzung möglichst konkret – natürlich unter Beachtung seiner Schweigepflicht – vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit die jeweilige Verfahrensgebühr entstanden ist.