1. Eine Mammutentscheidung, der Volltext umfasst 16 Seiten. Dieser Umfang erschließt sich mir nicht so recht. Denn die entschiedene Frage ist weitgehend ausdiskutiert, wie die o.a. zahlreichen Rspr.-Nachw. zeigen. Dabei hat es bislang drei Auffassungen gegeben, die man kurz (!) wie folgt darstellen kann:
1. |
Es entsteht nur die Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV, |
2. |
es entsteht neben der Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV noch die Grundgebühr Nr. 5100 VV und |
3. |
es entstehen neben der Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV auch alle weiteren Gebühren, und zwar auch die für das gerichtliche Verfahren. |
Warum man nun noch eine vierte Auffassung hinzufügen muss, wonach neben der Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV zwar die Grundgebühr Nr. 5100 VV und die Gebühren für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde entstehen, nicht aber die für das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug, ist nicht nachzuvollziehen.
Die Argumentation des LG überzeugt m.E. auch nicht. Zumal die Gerichte, die die o.a. dritte Auffassung vertreten (LG Karlsruhe, LG Oldenburg, LG Stuttgart, LG Trier, jeweils a.a.O.) überzeugend dargelegt haben, dass warum eine analoge Anwendung der Regelung der Vorbem. 5.1 Abs. 2 S. 2 VV möglich und sinnvoll ist (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., Nr. 5116 Rn 1 und Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 5115 VV Rn 5). Eine ausdrückliche Regelung des Gesetzgebers in Form der Nichtregelung liegt nicht vor. M.E. hat der Gesetzgeber bei Einführung des RVG diesen Fall schlicht übersehen. I.Ü. besteht auch kein Grund, den Verteidiger, der in einem selbstständigen Einziehungsverfahren ohne Geldbuße verteidigt, schlechter als denjenigen Verteidiger zu stellen, der in einem Verfahren tätig wird, in dem eine Geldbuße festgesetzt ist. Zudem übersieht das LG die Möglichkeit, (für das gerichtliche Verfahren) auf den Einziehungsbetrag abzustellen. Und: Die Auffassung des LG führt zu einem widersprüchlichen Ergebnis. Denn der Verteidiger würde für seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren kein Honorar erhalten, geht der Betroffene dann aber gegen ein erstinstanzliches Urteil in die Rechtsbeschwerde, würden ggfs. die Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV und die Terminsgebühr Nr. 5114 VV entstehen, da sie – wie die Grundgebühr – von der Höhe einer festgesetzten Geldbuße unabhängig sind.
2. Das Entscheidungswirrwarr zeigt, dass die Frage dringend vom Gesetzgeber geregelt werden soll. Vielleicht bietet sich dazu ja die Gelegenheit in einem 3. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in der gerade begonnenen 20. Legislaturperiode, wenn mal die Teile 4 und 5 VV nicht so stiefmütterlich behandelt werden wie bei den zurückliegenden gesetzlichen Neuregelungen.
Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
AGS 1/2022, S. 25 - 28