Nr. 4142 VV RVG
Leitsatz
- Nach der am 1.7.2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB sind vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB, einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB erfasst.
- Die Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV fällt bereits an, wenn Einspruch gegen einen die Einziehung von Wertersatz anordnenden Strafbefehl eingelegt wird.
LG Köln, Beschl. v. 31.8.2021 – 106 Qs 14/21
I. Sachverhalt
Gegen den Beschuldigten wurde am 6.1.2021 ein Strafbefehl erlassen. Darin war eine Wertersatzeinziehung angeordnet war. Der Verteidiger des Beschuldigten hat gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt. Die Hauptverhandlung gegen den Beschuldigten fand am 31.3.2021 statt. Der Verteidiger hat dann nach Freispruch später gegenüber der Staatskasse auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV geltend gemacht. Das AG hat sie nicht festgesetzt. Das Rechtsmittel des Verteidigers hatte beim LG Erfolg.
II. Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV
Das LG bejaht den Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV.
1. Sachlicher Anwendungsbereich der Nr. 4142 VV
Der sachliche Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV sei, so das LG, eröffnet. Die Nr. 4142 VV entstehe als Wertgebühr (§ 2 RVG) ausgestaltete besondere Verfahrensgebühr für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme beziehe. Durch die Gebühr sollen Tätigkeiten des Rechtsanwalts vergütet werden, die darauf gerichtet seien, dem Beschuldigten erhaltenswerte Vermögensgegenstände zu sichern (vgl. BGH AGS 2018, 558 = RVGreport 2019, 77 = RVGprofessionell 2019, 46 = StRR Sonderausgabe 7/2019, 19; Toussaint/Felix, Kostenrecht, 51. Aufl., 2021, VV 4142 RVG Rn 2). Nach der am 1.7.2017 in Kraft getretenen Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und der damit verbundenen Neufassung der §§ 73 ff. StGB seien vom sachlichen Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr alle Fälle der Einziehung nach §§ 73 ff. StGB, einschließlich der Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB, erfasst (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 25. Aufl., 2021, VV 4142 Rn 7; Toussaint/Felix, a.a.O., VV 4142 Rn 4; BeckOK RVG/Knaudt, Stand 1.6.2021, VV 4142 Rn 3; a.A. OLG Frankfurt a.M. RVGreport 2020, 307 = StRR 7/2020, 36). Dabei komme es nach der h.A. nicht (mehr) darauf an, ob die angeordnete Einziehung Strafcharakter hat oder allein der Entziehung der durch die (zur Last gelegte) Straftat erlangten unrechtmäßigen wirtschaftlichen Vorteile dient (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; so auch LG Aachen AGS 2021, 398). Auch sei die Entstehung der Verfahrensgebühr davon unabhängig, ob die Vermögensabschöpfung (auch) der Entschädigung von Tatverletzten diene (vgl. KG RVGreport 2019, 219 = StRR 5/2019, 27).
Die nach altem Recht bestehende Streitfrage, ob die Gebühr nach Nr. 4142 VV auch in Fällen einer (vorläufigen) Beschlagnahme zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe (§ 111b Abs. 5 StPO a.F.) entstehe, die nicht zu einem endgültigen Vermögensverlust führt (vgl. zum Streitstand die Nachweise in Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4142 Rn 6 Fn 16), habe sich nach Aufhebung der Regelungen über die Rückgewinnungshilfe erledigt und sei für die Beurteilung im Streitfall schon deshalb ohne Belang, weil vorliegend gegen den Angeklagten gerade keine (vorläufige) Sicherung mittels Beschlagnahme nach § 111b StPO bzw. Vermögensarrestes nach § 111e StPO angeordnet worden sei, sondern mit Strafbefehl vom 6.1.2021 vielmehr die (endgültige) Einziehung von Wertersatz i.H.v. 9.000,00 EUR.
Soweit das OLG Frankfurt a.M. (a.a.O.) in der von der Bezirksrevisorin bei dem AG in ihrer zitierten Entscheidung vom 10.10.2019 ausgeführt habe, dass Fälle der Einziehung von Wertersatz nicht vom sachlichen Anwendungsbereich des Gebührentatbestands erfasst seien, hat sich das LG dieser Auffassung nicht angeschlossen (so auch LG Aachen, a.a.O.). Bereits im Ausgangspunkt finde eine derartige Auslegung im Wortlaut des Gebührentatbestands, der nicht nach den verschiedenen Einziehungsformen nach §§ 73 ff. StGB differenziere, keine tragfähige Grundlage. Die Auffassung könne auch nicht überzeugen, soweit sie das OLG Frankfurt a.M. (a.a.O.) damit begründe, die Wertersatzeinziehung diene "lediglich der vorläufigen Sicherung zivilrechtlicher Schadensansprüche des oder der Geschädigten (...), über dessen Berechtigung und Höhe erst noch in einem gesonderten Verfahren, mit eigenen Gebührenansprüchen zu befinden" sei (vgl. KG, a.a.O.). Denn die Wertersatzeinziehung sei – anders als die Beschlagnahme nach § 111b StPO oder der Vermögensarrest nach § 111e StPO – gerade keine vorläufige Maßnahme und führe dementsprechend für den Beschuldigten zu einem endgültigen Vermögensverlust. Dies gelte unabhängig davon, ob ein späterer Verwertungserlös nach § 459h Abs. 2 StPO an den Geschädigten ausgekehrt werde oder letztlich b...