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Vorliegende Kurzabhandlung möchte die relevante Rspr. zum Thema Beratungshilfe in den letzten 2 Jahren betrachten, aufzeigen und wo nötig kommentieren. Dabei soll auch dargestellt werden, ob es durch die Krisen der letzten Zeit Veränderungen in der Bewilligungs- und Entscheidungspraxis der Gerichte gegeben hat.
I. Allgemeines
Energiekriese, Corona-Krise, Krieg in Europa, steigende Freibeträge, Kurzarbeitergeld, gestiegene Grundversorgungskosten. All dies sind Anzeichen dafür, dass sich der Kreis der zur Beratungshilfe berechtigten Personen elementar erweitern wird. Noch ist es ruhig, ein Erdrutsch an neuen Anträgen ist bislang ausgeblieben, lässt sich aber wohl genauso erwarten, wie ein Anstieg an Insolvenzen. Sorgen und Nöte existieren zudem – das Klima wird allgemein als rauer angesehen. In Zeiten dieses gestiegenen Pools an Berechtigten, verbunden mit der allgemein gestiegenen "Sorge" im Alltag, ist es gerade an den Vertretern der juristischen Berufe, Sorge dafür zu tragen, dass ein Zugang am Recht gewahrt wird und bleibt und berechtigte Interessen verfolgt werden können. Viele Menschen fühlen sich nach mehreren Jahren verschiedener Beschränkungen besorgt und das Vertrauen in den Staat – so hört man – sinkt. Gerade hier muss Flagge gezeigt werden, indem diese Sorgen und Nöte trotz aller Beschränkungen beachtet werden und Rechte auch verfolgt werden können. Beratungshilfe wird folglich in den kommenden Monaten ein elementarer Grundstein für das Vertrauen in den Rechtsstaat bilden und man sollte nicht zu kleinlich mit der Frage der Bewilligung umgehen, sondern die Sorgen und Nöte ernst nehmen. Beratungshilfe ist dabei wie kein zweites Rechtsgebiet "vielfältig." Lernt man als junger Mensch das Rechtsgebiet kennen – gleich ob Anwalt oder Gerichtsperson –, so ist man überrascht, wie viele Probleme der unterschiedlichsten Sachgebiete man beurteilen und bewerten muss. Beratungshilfe ist damit "der" Garant auch für den Rechtsstaat. Folgend sollen die – bislang noch ruhigen – Entwicklungen auf dem weiten Feld der Beratungshilfe betrachtet werden.
II. Rechtsprechung
1. Was ist mit dem Original-Berechtigungsschein?
Über die Frage, wie mit dem Original-Berechtigungsschein umzugehen ist, wenn der Antrag auf Vergütung elektronisch übersandt wird, ergaben sich seit Implementierung des elektronischen Rechtsverkehres heftige Diskussionen. Manche Gerichte forderten weiterhin die Vorlage des Original-Berechtigungsscheines bei Gericht – meist um einen potentiellen Missbrauch auszuschließen –, die überwiegende Anzahl obergerichtlicher Meinungen und auch die Lit. sahen dieses Petitum hingegen nicht mehr als notwendig an. Nun scheint die Frage aber endlich geregelt. Die Verordnung zur Ablösung der Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung und zur Änderung der Beratungshilfeformularverordnung und der Verbraucherinsolvenzformularverordnung sowie zur Aufhebung der Gerichtsvollzieherformular-Verordnung dürfte das Streitthema um die Vorlage des Beratungshilfescheins bei Abrechnung ad acta legen.
Denn die Änderung in der Beratungshilfeformularverordnung (BerHFV) betrifft das Formular, das Beratungspersonen nutzen müssen, um einen Antrag auf Zahlung ihrer Vergütung zu stellen. Die Änderung dient nach Begründung des Petitums vor allem dem Zweck, die elektronische Übermittlung des Formulars an das Gericht zu erleichtern, indem die Möglichkeit vorgesehen wird, das Vorliegen des Originals eines Berechtigungsscheins anwaltlich zu versichern.
Übersicht der Entscheidungen hierzu:
Es geht auch "ohne" Original |
Das Original muss zwingend vorgelegt werden |
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.6.2022 – 10 W 47/22, AGS 2022, 375 |
AG Neunkirchen, Beschl. v. 6.2.2019 – 2 II 1153/18 |
OLG Oldenburg, Beschl. v. 1.4.2022 – 12 W 25/22, AGS 2022, 282 |
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OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.12.2019 – 9 W 30/19 |
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AG Ludwigshafen, Beschl. v. 21.2.2022 – 2 UR II 82/20 |
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LG Osnabrück, Beschl. v. 24.1.2022 – 9 T 466/21, AGS 2022, 86 |
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2. Bedürftigkeit: Ansatz von Wohnkosten
Wie sind die Voraussetzungen der Beratungshilfe?
Die Antwort ergibt sich aus dem BerHG. Zum einen müssen die objektiven Zugangsvoraussetzungen vorhanden sein. Danach darf die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheinen, es muss sich um eine notwendige Hilfe handeln und es dürfen keine anderen zumutbaren Hilfen vorliegen. Außerdem muss es sich um eine vordergründige Rechtsberatung handeln. Daneben muss der Rechtsuchende derart bedürftig sein, dass er vergleichsweise im Falle einer Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe (PKH/VKH) keine Raten zu zahlen hätte. Die Berechnung erfolgt sodann nach den Maßstäben der PKH/VKH unter Berücksichtigung der Freibeträge. Abzuziehen sind auch Wohnkosten.
Dabei ist immer wieder streitig, wie mit dem Wohnraum umzugehen ist, der von mehreren Personen bewohnt wird: Sind die Kosten für Miete und Nebenkosten dann kopfteilig anzusetzen, sodass den Rechtsuchenden nur ein "Anteil" betrifft, oder sind die Gesamtkosten ber...