I. Fragen
1. Ausgangsfall
Das LG Hamburg hat in einer Bausache zu mehreren zwischen den Parteien streitigen Fragen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben. Dabei geht es auch um Vorgänge, bei denen der in Berlin wohnhafte Beklagte selbst anwesend war. Nachdem der Gerichtssachverständige sein Gutachten vorgelegt hat, erörtert der Beklagtenvertreter mit seinem Mandanten, dem Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung seines Anwalts bewilligt worden ist, telefonisch das Gutachten. Danach kommt der Beklagtenvertreter zu der Erkenntnis, dass das Gutachten des Gerichtssachverständigen erhebliche Fehler aufweist und der Sachverständige einige Beweisfragen nicht erschöpfend behandelt hat. Auf Antrag des Beklagtenvertreters beraumt das LG Hamburg einen weiteren Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin an, zu dem neben den Parteien und ihren Rechtsanwälten auch der gerichtlich bestellte Sachverständige zwecks mündlicher Erläuterung seines Gutachtens geladen wird. Der Beklagte will an diesem Termin teilnehmen und dem Sachverständigen persönlich einige Fragen stellen, hat aber nicht das nötige Geld für die Terminsreise.
Worauf hat der Beklagtenvertreter seinen Mandanten hinzuweisen, um ihm die Terminsreise zu ermöglichen?
2. Erste Abwandlung
Im Ausgangsfall hält der gerichtlich bestellte Sachverständige auch nach seiner mündlichen Anhörung an seinem Gutachten fest. Das Prozessgericht lehnt die von dem Beklagtenvertreter beantragte Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens ab. Nach Auffassung des Beklagtenvertreters kann das Gutachten des Gerichtssachverständigen nur durch Einholung eines Privatgutachtens erschüttert werden.
Der Beklagte verfügt jedoch nicht über die erforderlichen Mittel für die Bezahlung des Privatgutachters.
Was hat der Beklagtenvertreter insoweit zu veranlassen?
3. Zweite Abwandlung
Auf Antrag des Beklagtenvertreters hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LG Hamburg gem. § 55 Abs. 1 S. 1 RVG einen Vorschuss für die Privatgutachtenkosten festgesetzt. Gegen diese Festsetzung legt der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse durch einfaches zu den Akten gereichtes Schreiben gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG Erinnerung ein, die er im Einzelnen begründet.
Welche Entgegnung wird der zu der Erinnerung des Bezirksrevisors angehörte Beklagtenvertreter in formeller Hinsicht einreichen?
II. Lösungen
1. Lösung zum Ausgangsfall
Der Beklagtenvertreter wird seinen Mandanten darauf hinweisen, dass dieser beim Prozessgericht einen Antrag auf Bewilligung eines Vorschusses für die Terminsreisekosten einreichen kann. Die Rechtsgrundlage hierfür wird in der Rspr. nicht einheitlich beurteilt. Zum Teil wird der Anspruch auf Zahlung von Reiseentschädigungen an mittellose Personen, denen Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt worden ist, auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Verfahrensrechts über die PKH hergeleitet. Vielfach wird auch die VwV-Reiseentschädigung als Rechtsgrundlage direkt angewandt, eine allgemeine Verfügung, die in einer bundeseinheitlichen Fassung von sämtlichen Landesjustizverwaltungen erlassen worden ist.
Der Antrag des Beklagten auf Zahlung einer Reiseentschädigung durch die Landeskasse hat hier deshalb Aussicht auf Erfolg, weil das Prozessgericht ihn zu dem Verhandlungs- und Beweisaufnahmetermin persönlich geladen hat. Die aus der Landeskasse zu zahlenden Reisekosten setzen sich aus den entsprechend den Vorschriften des JVEG zu gewährenden reinen Fahrtkosten, aus den unvermeidbaren Tagegeldern (s. § 6 Abs. 1 JVEG) und ggf. aus den Übernachtungskosten gem. § 6 Abs. 2 JVEG zusammen. Im vorliegenden Fall dürfte eine Übernachtung des Beklagten für die Terminsreise von Berlin nach Hamburg und zurück nicht erforderlich sein.
Im Regelfall gewährt die Landeskasse die Reiseentschädigung dergestalt, dass sie der bedürftigen Partei vorab Fahrkarten der zweiten Wagenklasse, hier der Deutschen Bahn, für die Hin- und Rückfahrt zur Verfügung stellt. Über die Bewilligung der Reiseentschädigung entscheidet das Gericht.
2. Lösung zur ersten Abwandlung
Gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO bewirkt die Bewilligung der PKH, dass die Landeskasse die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten nur nach den Bestimmungen gegen die bedürftige Partei geltend machen kann, die das Gericht getroffen hat. Privatgutachtenkosten sind somit von dieser Vorschrift nicht erfasst. Um eine systemwidrige Lücke im Rechtsschutz der bedürftigen Partei zu schließen, sieht die Rspr. Aufwendungen des PKH-Anwalts für ein Privatgutachten als Auslagen des Rechtsanwalts gem. § 46 Abs. 1 RVG an.
Für Auslagen in der Form von Privatgutachtenkosten kann der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt einen Antrag auf Gewährung eines Vorschusses aus der Landeskasse gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG stellen. Die Festsetzung eines entsprechenden Auslagenvorschusses setzt voraus, dass die Aufwendungen des Rechtsanwalts, hier als...