Von Rechtsanwalt Norbert Schneider. 6. Aufl., 2023, Deutscher Anwaltverlag, Bonn. 1.616 S., 109,00 EUR
Wenn ein Buch zum RVG innerhalb weniger Jahre bereits in 6. Aufl. erscheint, belegt dies schon für sich genommen den großen Zuspruch bei den Lesern. In der gerade noch vor den Weihnachtsfeiertagen erschienenen Neuauflage hat Schneider die bewährte Konzeption des Werkes, die Berechnung der anwaltlichen Vergütung anhand von praxisgerechten Beispielsfällen darzustellen, fortgeführt. Die Neuauflage enthält über 2.340 Beispielsberechnungen, während in der Erstauflage nur 1.000 Beispiele aufgeführt waren. Auch dieser Umstand zeigt die hervorragende Entwicklung, die das Werk innerhalb weniger Jahren genommen hat. In der 6. Aufl. hat Schneider die Änderungen durch das KostRÄG 2021 und weitere Gesetze berücksichtigt, sodass das Werk auf ganz aktuellem Stand ist.
In der Einleitung (§ 1) stellt Schneider dar, wie bei einer ordnungsgemäßen Abrechnung vorzugehen ist. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Vergütungsberechnung werden in § 2 behandelt. Die §§ 3 und 4 enthalten die Vergütungsansprüche des gerichtlich beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts. Mit der Anrechnungsvorschrift des § 15a RVG befasst sich Schneider in § 5. Dort werden auch die durch § 15a Abs. 2 RVG veranlassten Probleme der Kostenerstattung behandelt.
Die nachfolgenden Kapitel des Werks enthalten die Beispielsberechnungen für einzelne Tätigkeitsbereiche des Rechtsanwalts. Dies beginnt bei der Beratung, Gutachtenerstattung und Mediation (§ 6), geht über die außergerichtliche Vertretung (§ 8), wird dann mit der Beratungshilfe (§ 10) und dem Mahnverfahren (§ 11) fortgesetzt und geht dann in den §§ 13 ff. betreffend die Abrechnung in bürgerlichen Rechtstreitigkeiten einschließlich verschiedener Verfahrenssituationen weiter. In der Praxis bereitet die Abrechnung der Anwaltsvergütung im Falle der Einbeziehung nicht oder anderweitig anhängiger Ansprüche in einem Rechtsstreit vielfach Schwierigkeiten. Unter § 13 Rn 240 ff. behandelt der Autor praktisch alle vorkommenden Fallgestaltungen zu diesem Problemkreis anhand einer Vielzahl von Beispielen.
Die Abrechnung des Verkehrsanwalts stellt Schneider unter § 20 Rn 7 ff. anhand von mehreren Beispielsberechnungen dar. Noch ausführlicher behandelt der Autor die Abrechnung der Vergütung des Terminsvertreters und des Hauptbevollmächtigten in § 20 Rn 51 ff. in rund 50 Beispielsberechnungen. Nicht von allen Gerichten, insbesondere Obergerichten, wird die Auffassung Schneiders unter § 20 Rn 59 geteilt, der Hauptbevollmächtigte, der den Terminsvertreter im eigenen Namen beauftragt hat, könne dessen (vereinbarte) Vergütung dem Auftraggeber als Auslage i.S.v. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV berechnen (dagegen jüngst OLG München AGS 2022, 448 [Hansens]; OLG Dresden, Beschl. v. 7.11.2022 –12 W 561/22).
Selbstverständlich wird auch die Anwaltsvergütung in Beschwerde- und Erinnerungsverfahren (§ 21), in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 26), in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (§ 27) oder in Familiensachen (§ 28) behandelt. Beispiele für die Anwaltsvergütung im Rahmen der Zwangsvollstreckung (§ 33) und Zwangsversteigerung (§ 34). Die Vergütung in Straf- und Bußgeldsachen wird in den §§ 35, 36 mit vielen Beispielsberechnungen behandelt. Abschließend geht Schneider auf die Auslagen des Rechtsanwalts (§ 38), dessen Hebegebühren (§ 39) und das Übergangsrecht (§ 40) ein.
Die über 2.340 Beispielsberechnungen lassen wohl keine Abrechnungsfrage offen. Es wird schwer fallen, eine Fallgestaltung zu finden, die der Autor in seinem Werk nicht behandelt hat. Soweit geboten, stellt Schneider bei streitigen Berechnungsfragen auch die jeweils vertretenen Auffassungen mit Rspr.-Nachweisen zusammen. Beispielhaft wird hier auf die bisher sehr umstrittene und von dem Autor unter § 31 Rn 135 erörterte Frage verwiesen, ob die Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV für die Mitwirkung beim Abschluss eines einfachen schriftlichen Vergleichs anfällt oder ob es sich um einen gerichtlich vorgeschlagenen bzw. bestätigten Vergleich handeln muss (s. hierzu LSG Berlin-Brandenburg RVGreport 2018, 455 [Hansens]). Zutreffend weist Schneider darauf hin, dass sich dieser Streit durch die im KostRÄG 2021 vorgenommene Neufassung von Abs. 1 S. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV erledigt hat. Es stellt sich daher nur noch die Frage, ob diese Neufassung auch auf Altfälle anzuwenden ist.
Zusammenfassen kann ich feststellen:
Die jetzt in 6. Aufl. erschienenen "Fälle und Lösungen zum RVG" decken praktisch jede denkbare Fallgestaltung ab. Wer sich an den Berechnungsbeispielen Schneiders orientiert, kann in der Praxis nichts falsch machen. Deshalb kann das Werk Rechtsanwälten und deren Mitarbeitern, aber Mitarbeitern von Gerichten und Behörden, die mit dem anwaltlichem Vergütungsrecht zu tun haben, wärmstens empfohlen werden.
Autor: Heinz Hansens
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 1/2023, S. III