1. BGH folgt den Erwägungen des OLG
Der BGH folgt den Erwägungen des OLG. Es habe die vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühren zu Recht jeweils hälftig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet mit der Folge, dass diese vollständig aufgezehrt worden seien. Die Beklagte könne sich auch gem. § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG a.F. (jetzt § 15a Abs. 3 Fall 1 RVG n.F.) auf die Anrechnung berufen.
2. Anrechnung setzt denselben Gegenstand voraus
Nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV werde die wegen desselben Gegenstands entstandene Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75. Bei einer wertabhängigen Gebühr erfolge nach Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung die Anrechnung nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.
3. Derselbe Gegenstand liegt vor
Das Beschwerdegericht habe zu Recht angenommen, dass die Geschäftsgebühren wegen desselben Gegenstands i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 4 VV entstanden seien wie die nachfolgende Verfahrensgebühr im gerichtlichen Verfahren.
Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit im kostenrechtlichen Sinn werde durch das Recht oder das Rechtsverhältnis definiert, auf das sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen des ihm von seinem Mandanten erteilten Auftrags beziehe. Dabei sei keine formale, sondern eine wertende Betrachtungsweise angezeigt und auf die wirtschaftliche Identität abzustellen. Die Frage, ob eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit und die anschließende Klage in diesem Sinne denselben Gegenstand gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV betreffen würden, sei daher anhand einer wirtschaftlichen Betrachtung zu beurteilen (vgl. BGH NJW 2007, 2050; WRP 2009, 75; NJW 2012, 781 = AGS 2012, 227; NJW-RR 2012, 313 = AGS 2012, 223; Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, § 2 Rn 2; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., 2019, § 2 RVG Rn 6). Denn die Anrechnungsbestimmungen von Vorbem. 3 Abs. 4 VV, § 15a Abs. 1 RVG fänden ihren Grund in dem geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand, den ein bereits vorgerichtlich mit der Angelegenheit befasster Rechtsanwalt habe (vgl. BT-Drucks 15/1971, 209; BGH ZIP 2023, 531; NJW 2007, 2050; NJW-RR 2012, 313).
Gemessen an diesen Grundsätzen sei Gegenstand der von der Klägerin vorgerichtlich entfalteten anwaltlichen Tätigkeit die Regulierung der der Leasinggesellschaft infolge der Beschädigung ihrer Fahrzeuge entstandenen Sachschäden einschließlich der dadurch entstehenden Rechtsanwaltskosten gegenüber der Beklagten.
Der dem Geschädigten wegen Beschädigung einer Sache nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zustehende Schadensersatz umfasse nämlich grds. auch den Ersatz der zur Durchsetzung dieses Anspruchs erforderlichen Rechtsverfolgungskosten (BGH VersR 2020, 174 = AGS 2020, 148; VersR 2005, 558). Denn auch diese Kosten würden letztlich der Herstellung des Zustands dienen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (§ 249 BGB; BGH VersR 2005, 558). Dementsprechend habe die Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts die Beklagte in ihren nach dem jeweiligen Unfall verfassten außergerichtlichen Schreiben nicht nur zum Ersatz des jeweils entstandenen Sachschadens, sondern darüber hinaus zur Erstattung der jeweils angefallenen Rechtsanwaltskosten aufgefordert.
Der Umstand, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit nur teilweise, nämlich nur hinsichtlich der auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Ansprüche in das gerichtliche Verfahren übergegangen sei, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Gesetzgeber habe den Fall, dass der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit nur zum Teil Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens werde, in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 5 VV a.F. (jetzt Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV) ausdrücklich geregelt und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Anrechnung auch bei Teilidentität der Gegenstände zu erfolgen habe.
Eine andere Beurteilung sei auch nicht deshalb geboten, weil sich der für die Berechnung der Verfahrensgebühr maßgebliche Streitwert nach der Höhe der – den alleinigen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden – Ansprüche auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestimme, wohingegen diese in den für die Berechnung der jeweiligen Geschäftsgebühr maßgeblichen Gegenstandswert nicht werterhöhend eingeflossen sind (a.A. LG Saarbrücken AGS 2007, 291; AG Rosenheim AGS 2020, 202; AG Berlin-Mitte JurBüro 2015, 576). Letzteres sei allein darauf zurückzuführen, dass die Kostenerstattungsansprüche nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts außergerichtlich jeweils neben der unmittelbar auf Ersatz des Sachschadens gerichteten Hauptforderung geltend gemacht worden und von deren Bestehen abhängig seien. Sie würden deshalb Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO darstellen, die nach der genannten Bestimmung i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG bei der Best...