Das LG sieht die vom AG unter den Mittelgebühren festgesetzten Gebühren als angemessen an, auch der Ermessensspielraum des Verteidigers von 20 % sei ausreichend inkludiert.
1. Bedeutung der Sache / Einkommensverhältnisse
Die vom AG festgesetzten Gebühren tragen nach Auffassung des LG der Bedeutung der Sache für den Betroffenen hinreichend Rechnung. Dies gelte insbesondere auch mit Rücksicht darauf, dass die angesetzte Geldbuße auf 120,00 EUR festgesetzt worden war und damit einhergehend die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister im Raum gestanden habe, weshalb die Angelegenheit bei den bestehenden Voreintragungen und im Hinblick auf mögliche Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde als nicht ganz unerheblich für den Betroffenen einzustufen gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei jedoch einschränkend zu berücksichtigen, dass gegen den Betroffenen kein Fahrverbot verhängt worden sei und die unmittelbaren Folgen sich als nicht gravierend und möglicherweise berufsbeeinträchtigend darstellten. Auch dass die Regelgeldbuße gem. § 17 OWiG i.V.m. § 3 BKatV wegen einer oder mehrerer Voreintragungen im Fahreignungsregister auf insgesamt 120,00 EUR erhöht worden sei, lasse mangels dahingehenden Vortrags eine finanzielle Notlage und dadurch eine gesteigerte Bedeutung für den Betroffenen nicht erkennen. Hinsichtlich der Einkommensverhältnisse des Betroffenen ergebe sich aus der Akte lediglich, dass dieser als selbstständiger Gastronom tätig sei und in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebe.
2. Schwierigkeit der Sache
Das AG sei zudem bei der Festsetzung der zu erstattenden Gebühren zu Recht davon ausgegangen, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die nach der Sach- und Rechtslage und ihrer Schwierigkeit als deutlich unter dem Durchschnitt der Bußgeldverfahren liegend anzusehen sei. Denn Maßstab für die Beurteilung der Schwierigkeit wie auch des zeitlichen Aufwands seien nicht isoliert Verkehrsordnungswidrigkeiten, sondern es sei das gesamte Spektrum an Ordnungswidrigkeiten zu berücksichtigen, die von den Gebührensätzen, die im Vergütungsverzeichnis vorgesehen sind, abgedeckt werden. Um zu spezialgesetzlichen Bußgeldtatbeständen etwa auf dem Gebiet des Umwelt-, Wirtschafts- und Steuerrechts, die einerseits erhebliche Bußgelder vorsehen, andererseits häufig mit rechtlichen Schwierigkeiten sowie umfangreicher Sachaufklärung verbunden seien, eine angemessene Relation herzustellen, könnten bei Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten daher im Regelfall nur unter den Rahmenmittelsätzen liegende Verteidigergebühren als angemessen angesehen werden.
So liege der Fall auch hier. Es habe sich der Sache nach um einen äußerst einfach gelagerten Fall gehandelt, in dem es um einen Geschwindigkeitsverstoß mit einem Lichtbild als Beweismittel ging. Den Einspruch habe der Verteidiger im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht begründet. Den in der Folge entstandenen Besonderheiten – es wurde ein gerichtliches Verfahren nach § 62 OWiG eingeleitet sowie ein zweiter Hauptverhandlungstermin durchgeführt, in dem ein anthropologisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde – sei durch die Erhöhung der Mindestgebühren angemessen Rechnung getragen worden. Ansonsten könne allenfalls von einem für Verkehrsordnungswidrigkeiten durchschnittlichen Aufwand ausgegangen werden. Der Betroffene habe seine Fahrereigenschaft sowie – nach Vorlage eines Privatgutachtens – die Richtigkeit der Messung bestritten.
Darüber hinaus habe der Verteidiger wiederholt die Unvollständigkeit der zur Verfügung gestellten Messdaten und -unterlagen gerügt und die Übersendung diverser Dateien und Dokumente beantragt. Dies sei zunächst jedoch ebenfalls durch pauschale Aufzählung sämtlicher ein Messverfahren betreffender Unterlagen erfolgt. Bei der dann folgenden – auf den ersten Blick umfangreichen – Begründung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG habe es sich offenkundig um allgemeine Textbausteine nebst beigefügten gerichtlichen Entscheidungen gehandelt. Überdies sei in dem gesonderten Verfahren 2 OWi 57/22 eine eigenständige Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen worden, sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine erhöhten Gebühren wegen der Einleitung eines solchen Verfahrens verlangt werden können, da sich im Falle des dortigen Obsiegens die Auslagen für den konkreten Aufwand des Verfahrens nach § 62 OWiG für die Staatskasse "doppelt" niederschlagen würden, obgleich diese nur einmal angefallen seien.
Soweit daneben die Einarbeitung in das "neue" Messgerät VKS 4.5 zu einem überdurchschnittlichen Aufwand geführt haben soll, so sei dies zum einen mit der überdurchschnittlichen und antragsgemäßen Festsetzung der Grundgebühr (Nr. 5100 VV) von 110,00 EUR hinreichend berücksichtigt. da diese Gebühr gerade für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall gewährt werde. Zum anderen dürfte zweifelhaft sein, ob für den konkret vorliegenden Fall – mit welchem der Verteidiger erstmals im März 2022 befasst war – eine umfassende Einarbeitung...