RVG § 34; ZPO § 141
Leitsatz
Tritt ein Rechtanwalt einen umstrittenen Vergütungsanspruch an einen Kollegen ab, damit dieser den Anspruch einklagen und dem Abtretenden die Eigenschaft als Zeuge verschaffen kann, dann hat das Gericht zur Herstellung der Waffengleichheit den Beklagten anzuhören.
AG Detmold, Urt. v. 30.1.2008–8 C 445/07
1 Sachverhalt
Der Kläger macht eine Vergütungsforderung aus abgetretenem Recht geltend. Er trägt vor, dass der Beklagte seine Kollegin, die ihm die Forderung abgetreten habe, angerufen und sich eine fernmündliche Beratung von ihr habe gewähren lassen. Der Beklagte räumt ein, dass es zu einem Telefonat gekommen ist. Er bestreitet jedoch den Inhalt des Gesprächs. Eine Beratung habe nicht stattgefunden. Das Gericht hat Rechtsanwältin K im Rechtsstreit als Zeugin vernommen und hiernach die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger kann dem Beklagten gegenüber keinen Anspruch auf Zahlung aus abgetretenem Recht geltend machen. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass zwischen dem Beklagten und der Zeugin K. das den Anspruch begründete Rechtsverhältnis, §§ 675, 611 Abs. 1 BGB, zustande gekommen ist.
Die Zeugin hat die Beweisfrage zwar bestätigt. Dem steht aber das nicht minder glaubhafte Bekunden des Beklagten, der gem. § 141 ZPO als Partei angehört wurde, gegenüber. Das Gericht hat zu berücksichtigen, dass die Zeugin als ursprüngliche Forderungsinhaberin ein offenkundiges Eigeninteresse an dem Ausgang des Rechtsstreits hat. Durch die Abtretung ist sie erst in die formale Position einer Zeugin geraten. Demgegenüber kann der Beklagte den Beweis seiner Behauptungen über den Inhalt des Gesprächs nur durch seine eigene Vernehmung führen. Das Gericht hat dem Rechnung getragen, in dem es den Beklagten persönlich angehört hat. Diese Möglichkeit ist für die Fallgestaltung, dass in einem Zivilprozess eine Seite auf einen ihr nahestehenden Zeugen zurückgreifen kann, während die andere Seite an einem Vieraugengespräch lediglich allein beteiligt war, in der Rspr. anerkannt (vgl. nur BVerfG NJW 2001, 2351).
So liegt es hier. Die Zeugin hat mit dem Beklagten ein Gespräch geführt, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Daher waren die Zeugen und der Beklagte zu hören. Die Aussage der Zeugin liegt daher wegen ihres eigenen Interesses am Ausgang des Rechtstreits nicht automatisch schwerer als die Bekundungen des Beklagten in seiner persönlichen Anhörung. Der Aussage der Zeugin steht das Bekunden des Beklagten entgegen, ohne dass nach Maßgabe der Aussagestruktur sowie unter Berücksichtigung des jeweiligen Eigeninteresses am Ausgang des Rechtstreits erkennbar wird, welche der beiden Aussagen mehr Glauben zu schenken ist.
Das Gericht kann daher nicht mit der für eine Verurteilung nötigen Sicherheit feststellen, dass die Zeugin den Beklagten anwaltlich beraten hat, mit der Folge, dass ein Gebührenanspruch entstanden ist.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Kamper, Dortmund
3 Anmerkung
Im Ausgangsfall hatte zunächst Waffengleichheit bestanden. Weder der Anwalt noch der Mandant verfügten über Beweismittel zur Durchsetzung oder Abwehr des Vergütungsanspruchs. Durch die Abtretung an einen Kollegen hat die sich eines Anspruchs berühmende Anwältin Waffenungleichheit hergestellt. Denn nun konnte sie als Zeugin benannt werden. Das wiederum machte es dem Gericht zur Aufgabe, die Waffengleichheit wieder herzustellen und den Beklagten anzuhören.
Bei der Beweiswürdigung ist das Gericht in derartigen Fällen frei, darf also dem Ergebnis der Anhörung die gleiche Beweiskraft beimessen wie der Zeugenvernehmung.
Der Ausgangsfall hat dazu geführt, dass das Gericht sich nicht von der Begründetheit des eingeklagten Vergütungsanspruchs überzeugen konnte und die Klage deshalb abgewiesen hat. Insoweit sind allerdings die Gründe des Urteils des AG lückenhaft.
Der Kläger hat eine vergütungspflichtige telefonische Rechtsberatung dargelegt. Dazu musste der Beklagte sich nach § 138 Abs. 2 ZPO erklären, anderenfalls das Klagevorbringen als zugestanden anzusehen war (§ 138 Abs. 3 ZPO). Der Beklagte hätte also auf Befragen des Gerichts (§ 139 Abs. 1 S. 2 ZPO) mitteilen müssen, warum er die Anwältin angerufen habe und worum es ihm dabei gegangen sei. Es musste sich dabei nicht um eine vergütungspflichtige Auskunft handeln, etwa wenn der Beklagte nur nach Tätigkeitsschwerpunkten gefragt hätte oder nur nach der Bereitschaft, ein Mandat kurzfristig zu übernehmen. Anscheinend hat das AG Detmold die ihm übertragene Aufklärungs- und Hinweispflicht versäumt. Anderenfalls wäre es wohl bei der Beweiswürdigung darauf eingegangen.
Auch der Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, Waffengleichheit wieder herzustellen, nämlich durch Erhebung einer Widerklage. Grundsätzlich hatte die Rspr. eine Widerklage des Beklagten nur als zulässig angesehen, wenn sie sich nur gegen einen bisher am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten richtete. Die sog. isolierte Drittwiderklage wurde nicht zugelassen. Diese Auffassung hat der BGH unlängst aufgegeben.
Der Leitsatz dieses U...