RVG VV Nrn. 1000, 1003
Leitsatz
Die Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs bemisst sich auch dann nicht nach Nr. 1003 VV (1,0-facher Satz), sondern nach Nr. 1000 VV (1,5-facher Satz), wenn für den Abschluss des Mehrvergleichs Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.
LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 28.10.2008–3 Ta 210/08
1 Sachverhalt
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle weigert sich im Festsetzungsverfahren nach § 55 RVG, die Einigungsgebühr für einen Mehrvergleich, wie beantragt, nach Nr. 1000 VV festzusetzen. Sie hält im Hinblick auf eine vorgängige Erinnerung der Staatskasse auch in diesem Umfang eine Vergütung lediglich nach Nr. 1003 VV für gerechtfertigt.
Das ArbG hatte im Ausgangsverfahren, das durch Prozessvergleich vom selben Tag erledigt worden war, zunächst dem Kläger rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragsstellung Prozesskostenhilfe bewilligt. Nach Abschluss des Vergleichs hat es die Bewilligung noch im Verhandlungstermin rückwirkend auch auf "einen Vergleichsmehrwert" erstreckt. Entsprechend dem hierauf gestellten Antrag hat die Urkundsbeamtin im Hinblick auf den Mehrvergleich, dessen Wert das ArbG durch Beschluss nach § 63 Abs. 2 GKG auf 2.112,00 EUR festgesetzt hat, eine Gebühr nach Nr. 1000 VV und eine 0,8-Gebühr nach Nr. 3101 VV festgesetzt. Auf die Erinnerung der Staatskasse hat sie die Einigungsgebühr einheitlich nach Nr. 1003 VV für den gesamten Vergleichswert festgesetzt und den Differenzbetrag von der Antragstellerin zurückgefordert. Sie hat sich insoweit auf die Begründung der Erinnerung der Staatskasse bezogen, die sich ihrerseits auf eine Entscheidung des LAG Hamm (NZA-RR 2007, 601 ff.) gestützt hat. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat das ArbG im angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, in dem es auch die Beschwerde zugelassen hat. Dieser hat es nicht abgeholfen und sie vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die an sich statthafte und vom ArbG zugelassene Beschwerde (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG) ist auch in der Sache gerechtfertigt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat zu Unrecht auf die Erinnerung der Staatskasse für den vom ArbG angenommenen Mehrwert des Vergleichs die Vergütung der Nr. 1003 VV berechnet. Diese Vorschrift findet auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Die Anm. zu Nr. 1003 VV unterscheidet sich, soweit hier von Interesse, von dem früheren § 23 BRAGO durch die klarstellende Vergünstigung, dass auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich für die Protokollierung eines Vergleichs nicht unter die Gebührenreduzierung fällt, die für ein anhängiges Verfahren und ein Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehen ist.
Auszugehen ist von den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen. Diese machen die Gebührenermäßigung nicht davon abhängig, ob über die mitverglichenen nicht rechtshängigen Ansprüche vor Gericht verhandelt wurde oder nicht. Es kommt lediglich darauf an, ob ein gerichtliches oder ein Prozesskostenhilfeverfahren anhängig ist. Diese auch schon im Rahmen des § 23 BRAGO umstrittene Frage hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des Gesetzes nicht gelöst. Es verbleibt deshalb weiterhin bei der im diesseitigen Beschl. v. 26.7.2001 (4 Ta 33/01) vertretenen Auffassung. Dort wurde Folgendes ausgeführt:
Die vorliegende Frage wird in der Rspr. kontrovers diskutiert. Dabei geht die Tendenz der LAG dahin, bei der Erstreckung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO anzuwenden, während die OLG eher dazu neigen, das Merkmal der Anhängigkeit für diese Fallgestaltung zu verneinen. Wegen der Rechtsprechungsnachweise wird auf den Beschluss des Hessischen LAG v. 10.3.1999 (9 Ta 52/99 – JurBüro 1999, 359) verwiesen. Auch auf die vom Beschwerdeführer angezogene Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 4.5.2000 (9 Ta 32/00 – AnwBl 2000, 692) wird Bezug genommen.
Der dort vertretenen Auffassung kann nicht gefolgt werden. Deshalb ist jedenfalls im Ergebnis an der vom LAG Baden-Württemberg im Beschl. v. 29.5.1995 (1 Ta 27/95, JurBüro 1995, 585) vertretenen Auffassung festzuhalten. Wortlaut und Sinngehalt rechtfertigen eine Ausdehnung der Bestimmung des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO auf die vorliegende Fallgestaltung nicht. Dabei kann durchaus vom Anliegen des Gesetzgebers ausgegangen werden, die außergerichtliche Beilegung eines Rechtsstreits zu fördern. Wie dies der Gesetzgeber macht und welche Wege er dabei verfolgt, wird von diesem vorgegeben und bedarf hier keiner Korrekturen durch die Rechtsprechung. Bei der dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühr ist jedenfalls von der Grundregel auszugehen, dass die Vergleichsgebühr 15/10 beträgt, es sei denn, über den Vergleichsgegenstand sei ein gerichtliches Verfahren anhängig. Dasselbe gilt, wenn ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist. Diese Gleichstellung ist nur für den Fall notwendig, dass das Prozesskostenhilfeverfahren als besonderes Verfahren vorgeschaltet ist. Für Prozesskostenhilfeanträge innerhalb eines bereits anhängigen Verfahrens hat diese Bestimmung keine Bedeutung. Dieses dem anhängigen gerichtlichen Verfahren gleichstehe...