RVG § 16 Nr. 4, 15 RVG VV Nrn. 2501 ff.
Leitsatz
- § 16 Nr. 4 RVG findet für die außergerichtliche Beratungshilfe keine Anwendung. Diese Vorschrift betrifft lediglich das gerichtliche Verbundverfahren, erfasst mithin nicht die vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe in Scheidungs- und Folgesachen, auch wenn diese im Falle gerichtlicher Geltendmachung im Verbund geltend zu machen wären.
- Für die Frage, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, kommt es darauf an, ob die Beratung in unterschiedlichen Lebensbereichen bzw. zu unterschiedlichen Lebenssachverhalten erfolgt ist.
OLG Rostock, Beschl. v. 29.11.2010 – 10 WF 124/10
1 Sachverhalt
Mit Beschluss des AG war dem Rechtsuchenden Beratungshilfe für folgende Angelegenheiten bewilligt worden: "Vorbereitung Ehescheidung und Folgesache". Die Partei hat sodann Beratungshilfe bei der Beschwerdeführerin in Anspruch genommen.
Diese hat dem AG für die Beratung folgende Kosten in Rechnung gestellt:
Für die Beratung:
in einer Unterhaltssache: |
99,96 EUR |
in der Ehescheidungssache: |
35,70 EUR |
in einer Umgangssache: |
35,70 EUR |
in der Angelegenheit Ehewohnung: |
35,70 EUR |
betreffend eine Vermögensauseinandersetzung: |
99,96 EUR |
Gesamt |
307,02 EUR |
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die zuständige Rechtspflegerin die der Beschwerdeführerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 99,96 EUR festgesetzt. Es liege nur eine Angelegenheit vor. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat das AG zurückgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde hat die Beschwerdeführerin ihre o.g. Forderung weiterverfolgt, soweit das AG deren Festsetzung und Erstattung abgelehnt hat. Mit dem nunmehr mit weiterer Beschwerde angefochtenen Beschluss hat das LG diese Beschwerde zurückgewiesen. § 16 Nr. 4 RVG sei anzuwenden. Danach liege nur eine Angelegenheit vor. Das LG hat die weitere Beschwerde zugelassen, im Rahmen derer die Beschwerdeführerin nunmehr ihre Forderung weiter verfolgt.
2 Aus den Gründen
Die weitere Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des LG ist im Hinblick darauf zulässig, dass das LG diese mit dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat – § 56 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG. Ob das OLG gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG bereits für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig gewesen wäre, kann im Hinblick auf die Zulassung der weiteren Beschwerde dahinstehen. Die weitere Beschwerde ist form- und fristgemäß – § 33 Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 S. 3 RVG – eingelegt und begründet worden. Die Beschwerdeführerin ist gem. § 56 Abs. 1 S. 1 RVG beschwerdeberechtigt.
Die weitere Beschwerde ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Ein Anspruch auf Erstattung der dort genannten Kosten folgt aus § 44 RVG i.V.m. den Nrn. 2501 und 2503 VV.
Entgegen der Ansicht des AG handelt es sich bei den Angelegenheiten Unterhalt, Ehescheidung, Umgang und Vermögensausgleich einschließlich der Ehewohnung nicht um dieselben, sondern um verschiedene Angelegenheiten. Wann dieselben bzw. verschiedene Angelegenheiten i.S.d. RVG vorliegen, ist in diesem Gesetz für die außergerichtliche Beratungshilfe nicht eindeutig geregelt. Zwar enthält § 16 RVG insoweit Angaben. Diese Vorschrift findet jedoch entgegen der Ansicht des LG keine Anwendung (vgl. KG RVGreport 2010, 141 [= AGS 2010, 612]; OLG Köln FamRZ 2009, 1345 [= AGS 2009, 422]; OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 1244 [= AGS 2009, 79]). § 16 RVG betrifft – wie die Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO bzw. im FamFG zeigen – lediglich das gerichtliche Verbundverfahren, erfasst mithin nicht die vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe in Scheidungs- und Folgesachen, auch wenn diese im Falle gerichtlicher Geltendmachung im Verbund geltend zu machen wären (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 430 [= AGS 2009, 79]).Zutreffend und im Einklang mit der std. Rspr. (vgl. KG a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Brandenburg FamRZ 2010, 833; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Aufl., § 15 Rn 8 ff. m.w.Nachw.) diskutiert das AG daher im Hinblick auf § 15 RVG bei seinen Entscheidungen, ob die zur Abrechnung gestellten Angelegenheiten in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang miteinander stehen und aus diesem Grund als dieselbe Angelegenheit anzusehen sind. Denn gem. § 15 Abs. 2 RVG können Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden.
Für die Frage, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, kommt es entgegen der Ansicht des AG nicht darauf an, ob eine Bearbeitung fortlaufend erfolgte oder nach dem Beratungshilfe gewährenden Beschluss eine Beratung einschließlich aller Folgesachen bewilligt wurde. Denn die Anzahl der Berechtigungsscheine ist für die Zahl der Angelegenheiten nicht maßgeblich (vgl. OLG Köln a.a.O.), sondern die Frage, ob die Beratung in unterschiedlichen Lebensbereichen bzw. zu unterschiedlichen Lebenssachverhalten erfolgt ist (vgl. OLG Brandenburg a.a.O.; KG Berlin a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).
Hier liegen unterschiedliche Lebenssachverhalte vor, in denen die Beratung erfolgte. Denn die Beschwerdeführerin hat sowohl im Hinblick auf d...