GKG § 53 Abs. 1 ZPO § 3
Leitsatz
Der Anspruch eines Rechtsanwalts – als Organ der Rechtspflege – auf Unterlassung ehrverletzender Äußerungen ist jedenfalls dann nur mit dem Regelwert anzusetzen, wenn die Äußerung nicht nach außen kundgetan worden ist.
LG Bonn, Beschl. v. 12.11.2010 – 8 T 191/10
1 Sachverhalt
Der Antragsgegner hatte den Anwalt in einem an diesen gerichteten Schreiben als "Ganoven" bezeichnet. Der Anwalt erwirkte daraufhin eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung. Das Gericht hat den Streitwert auf 2.000,00 EUR festgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Streitwertfestsetzung des AG ist nicht zu beanstanden.
Der Regelwert für ehrverletzende Äußerungen liegt bei einem Hauptsacheverfahren bei 4.000,00 EUR und ist für ein einstweiliges Verfügungsverfahren um 1/2 bis 2/3 herabzusetzen. Auch wenn die Ehrverletzung gegenüber einem Organ der Rechtspflege erfolgte, ist andererseits zu berücksichtigen, dass die Äußerung nicht nach außen gelangte und sie in einem Nebensatz als Vermutung erfolgte. Bei Berücksichtigung dieser Gesamtumstände besteht kein Anlass, den Streitwert abweichend vom Regelwert zu beurteilen.
3 Anmerkung
Der Wert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ist nach § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgebend ist das Interesse des Antragstellers. Insoweit mag der Wert von 2.000,00 EUR im Ergebnis zutreffend sein. Das soll hier nicht näher behandelt werden.
Unzutreffend ist es jedoch, hier von einem "Regelwert" von 4.000,00 EUR auszugehen. Woher die Gerichte immer wieder einen Regelwert von 4.000,00 EUR nehmen, ist nicht nachzuvollziehen.
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§ 3 ZPO kennt keine Regelwerte. Die gesamte ZPO kennt keine Regelwerte. |
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Auch die Vorschriften des GKG, die hier wegen der speziellen Verweisung des § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG auf § 3 ZPO ohnehin nicht anwendbar wären – jedenfalls nicht unmittelbar –, sehen in Zivilsachen keinen Regelwert vor. Das GKG kennt einen Regelwert nur in verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren. Dort beträgt er aber nicht 4.000,00 EUR, sondern 5.000,00 EUR. |
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Ein Regelwert für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten war im GKG bis 1975 in dem damaligen § 14 Abs. 1 S. 1 GKG a.F. enthalten. Er betrug 3.000,00 DM. Dieser Regelwert ist aber seit nunmehr 35 Jahren abgeschafft. |
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Lediglich das RVG sieht in § 23 Abs. 3 S. 2 RVG einen Regelwert für nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten vor. Er beträgt 4.000,00 EUR. Abgesehen davon, dass das RVG weder den Zuständigkeitsstreitwert noch den Streitwert für die Gerichtsgebühren regelt, ist diese Vorschrift in gerichtlichen Verfahren, in denen sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert richten, nicht anwendbar. |
Anstatt sich auf nicht (mehr) existierende Regelwerte zurückzuziehen, sollten die Gerichte vielmehr – wie es das Gesetz vorschreibt – billiges Ermessen ausüben und den konkreten Fall beurteilen.
Abgesehen davon dürfte in Fällen wie dem vorliegenden häufig durch die einstweilige Verfügung eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgen, sodass für eine Wertreduzierung kein Anlass besteht.
Norbert Schneider