Die Entscheidung ist zutreffend. In Anm. Abs. 3 zu Nr. 4141 VV heißt es:
"Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde."
Aus der Bezugnahme auf den Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde, ergibt sich schon vom Wortlaut her, dass die Bezugsgröße nicht etwa die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren sein kann, sondern dass es sich um die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens handeln muss. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Im vorbereitenden Verfahren gibt es keine Hauptverhandlung, sodass diese dort nicht vermieden werden kann. Eine Hauptverhandlung findet erst im gerichtlichen Verfahren statt und kann erst dort vermieden werden. Daher ist es auch sachgerecht, dass das Gesetz auf den gerichtlichen Rechtszug abstellt und nicht auf die Gebühr des vorbereitenden Verfahrens, in dem die Einstellung erfolgt.
Soweit die Sache vor dem Amtsgericht angeklagt wird, ist die Auslegungsfrage unerheblich, da die Höhe der Gebühren nach Nr. 4104 VV und Nr. 4106 VV identisch ist. Wäre aber die Anklage vor der Strafkammer oder dem Schwurgericht oder dem Oberlandesgericht zu erheben gewesen, dann macht dies einen Unterschied.
Beispiel
Die Sache wird im vorbereitenden Verfahren unter Mitwirkung des Verteidigers eingestellt. Eine Anklage wäre zu erheben gewesen.
a) vor dem Amtsgericht
b) vor der Strafkammer
c) vor dem Schwurgericht
Geht man von den Mittelgebühren aus, so ergeben sich folgende Abrechnungen:
a) Anklage wäre vor dem Amtsgericht zu erheben gewesen |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV |
|
165,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
550,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
104,50 EUR |
|
Gesamt |
|
654,50 EUR |
b) Anklage wäre vor dem Jugendkammer zu erheben gewesen, ohne dass ein Fall der Anm. zu Nr. 4118 VV vorgelegen hätte |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4112 VV |
|
185,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
570,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
108,30 EUR |
|
Gesamt |
|
678,30 EUR |
c) Anklage wäre vor dem Oberlandesgericht, dem Schwurgericht oder der Strafkammer nach den §§ 74a und 74c GVG zu erheben gewesen |
1. |
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
|
200,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV |
|
165,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4118 VV |
|
395,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
780,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
148,20 EUR |
|
Gesamt |
|
928,20 EUR |
Auch in Bußgeldsachen ist entsprechend vorzugehen, da Anm. Abs. 3 zu Nr. 5115 VV ebenfalls auf die Gebühr des Rechtszugs abstellt, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde. Bezugsgröße für die Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV ist daher auch hier die jeweilige Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens. Hier ergibt sich ein Unterschied allerdings nur bei Bußgeldern von über 5.000,00 EUR. I.Ü. sind die Verfahrensgebühren des vorbereitenden Verfahrens und des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens gleich hoch.
Beispiel
Der Anwalt wird im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde als Verteidiger tätig. Das Verfahren wird aufgrund der vom Verteidiger abgegebenen Einlassung zur Sache von der Verwaltungsbehörde eingestellt. Auszugehen ist von der Mittelgebühr.
I. Bußgeld unter 60,00 EUR |
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV |
|
65,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5107 VV |
|
65,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
250,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
47,50 EUR |
|
Gesamt |
|
297,50 EUR |
II. Bußgeld zwischen 60,00 EUR und 5.000,00 EUR |
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5109 VV |
|
160,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
440,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
83,60 EUR |
|
Gesamt |
|
523,60 EUR |
III. Bußgeld über 5.000,00 EUR |
|
|
|
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5105 VV |
|
170,00 EUR |
3. |
Zusätzliche Gebühr, Nrn. 5115, 5111 VV |
|
200,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
490,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
93,10 EUR |
|
Gesamt |
|
583,10 EUR |
Norbert Schneider
AGS 2/2019, S. 61 - 63