In Teil 5 VV hat das KostRÄG 2021 eine Änderung vorgenommen, in der m.E. erhebliche Brisanz steckt. Dies gilt zwar nicht unbedingt für die Abrechnung von Tätigkeiten nach Teil 5 VV, also im Bußgeldverfahren, aber für die Abrechnung der Tätigkeiten des als Zeugenbeistand im Strafverfahren tätigen Rechtsanwalts. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in Rspr. und Lit. erheblich umstritten, sie gehören sicherlich mit zu den meist umstrittenen Fragen des RVG.
1. Frühere Formulierung
Es ist nämlich heftig umstritten (gewesen), wie die den Zeugenbeistand betreffenden Regelungen in Vorbem. 4 Abs. 1 VV einerseits und in Vorbem. 5 Abs. 1 VV andererseits, die unterschiedlich formuliert waren, zu verstehen sind.
a) Zeugenbeistand in Strafsachen
Nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV sind im Strafverfahren für die Tätigkeit als Zeugenbeistand die Vorschriften des Teils 4 VV entsprechend anzuwenden. Da der Zeugenbeistand ggf. nach § 68b Abs. 2 StPO nur für die Dauer der Vernehmung beigeordnet wird, geht ein Teil der obergerichtlichen Rspr. davon aus, dass der (beigeordnete) Zeugenbeistand vergütungsrechtlich nicht wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV, sondern wie ein Rechtsanwalt zu behandeln ist, der in einem Strafverfahren eine Einzeltätigkeit ausübt, also nach Teil 4 Abschnitt 3 VV.
b) Zeugenbeistand in Bußgeldsachen
Die früher geltende Regelung für das Bußgeldverfahren in Vorbem. 5 Abs. 1 VV wich von der Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV ab. Dort war bestimmt, dass für die Tätigkeit als Zeugenbeistand in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil bestimmen, die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren entstehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut galten für diesen Zeugenbeistand ausschließlich die Gebührenregelungen für Verteidiger nach Teil 5 Abschnitt 1 VV. Diese abweichende Formulierung ist von einem Teil der Rspr. und Lit. – zutreffend – als Beleg dafür gesehen worden, dass auch im Strafverfahren der beigeordnete Zeugenbeistand wie Verteidigerinnen und Verteidiger zu vergüten ist.
2. Die Neuregelung
Das KostRÄG 2021 hat diese Formulierungen angeglichen, und zwar so, dass die Vorbem. 5 Abs. 1 VV an die Regelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV angeglichen worden ist. Dem Gesetzgeber erschien es im Hinblick auf die ausdrückliche Beschränkung der Beiordnung in § 68b Abs. 2 StPO auf die Dauer der Vernehmung sachgerecht, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben. Diese Sicht ist m.E. falsch. Allerdings: Durch die Angleichung fällt ein Argument weg, das bislang u.a. als Beleg für die "richtige" Abrechnung des Zeugenbeistands im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV angeführt worden ist/werden konnte. Man wird sehen, ob die Auffassung, die sich für die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV ausspricht, noch weiter zurückgehen wird.