Nach Ansicht des AG hat die Bußgeldbehörde den Antrag der Verteidigerin auf Auferlegung der notwendigen Auslagen des Betroffenen auf die Staatskasse zu Unrecht abgelehnt. Der Betroffene habe die Kosten des Verfahrens (Kosten und Auslagen) zu tragen hat, wenn er "verurteilt" werde, d.h. wenn gegen den Betroffenen ein Bußgeld festgesetzt werde. Dies gelte auch, wenn der Betroffene mit dem Einspruch nur eine geringere als die festgesetzte Geldbuße erstrebe und eine solche dann festgesetzt werde (Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl., 2021, § 67 OWiG 42). Hinsichtlich der notwendigen Auslagen greife daher zu Gunsten des Betroffenen lediglich § 465 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG ein. Dies beruhe darauf, dass der Einspruch kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf eigener Art sei, auf den § 473 OWiG nicht anwendbar sei.
Die notwendigen Auslagen des Betroffenen würden ansonsten nur von der Staatskasse getragen, wenn eine endgültige Einstellung des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde aus Rechtsgründen, d.h. nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und dessen Rücknahme, erfolge (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O., vor § 105 OWiG 69; Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 6. Aufl., 2020, OWiG, § 105 OWiG 60). Hier habe die Verwaltungsbehörde das OWiG jedoch nicht endgültig eingestellt, sondern lediglich den Bußgeldbescheid vom 16.6.2020 zurückgenommen und diesen durch den Bußgeldbescheid vom 30.7.2020 ersetzt, der keine Anordnung eines Fahrverbots mehr enthalte. § 465 Abs. 2 OWiG sei anwendbar, da der Bußgeldbescheid auf den Einspruch hin zurückgenommen und durch einen günstigeren, weniger belastenden ersetzt worden sei (vgl. Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O., § 67 OWiG 42; Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., 2018, § 105 OWiG 83).
Aber: Nach § 465 Abs. 2 S. 2 und 3 OWiG i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 105 Abs. 1 OWiG seien die notwendigen Auslagen des Betroffenen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Betroffenen damit zu belasten. Die Belastung des Betroffenen mit den ihm entstandenen notwendigen Auslagen sei unbillig. Ob eine Unbilligkeit vorliege, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles. Dem Bußgeldbescheid vom 16.6.2020 habe der "neue" Bußgeldkatalog vom 29.4.2020 zugrunde gelegen. In der Eingangsformel der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020, in Kraft getreten am 28.4.2020, fehle der Verweis auf § 26 Abs. 1 Nr. 3 StVG. Diese Vorschrift sei die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Rechtsverordnung zur Anordnung von Fahrverboten. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG sei in einer bundesrechtlichen Verordnung deren Rechtsgrundlage anzugeben (sog. Zitiergebot). Art. 3 (Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung) der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften sei daher wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG offensichtlich nichtig. Unerheblich sei, dass die Bußgeldbehörde im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit des "neuen" Bußgeldkatalogs von den Vorgaben der jeweils zuständigen Landesministerien abhängig gewesen sei und unverzüglich nach Bekanntmachung einer Entscheidung der Ministerien diese umgesetzt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei die Rechtsklage für einen Laien erst recht undurchsichtig und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes angemessen gewesen. Der Erlass eines rechtmäßigen Bußgeldbescheides liege in der Sphäre der Bußgeldbehörde. Die Verwaltungsbehörde hätte den ursprünglichen rechtswidrigen Bußgeldbescheid bereits nicht erlassen dürfen. Erst der Bußgeldbescheid vom 8.7.2020 entspreche der geltenden Rechtslage. Aus diesen Gründen stellt die Belastung des Betroffenen mit seinen notwendigen Auslagen eine unbillige Härte dar.