Die Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG gibt Anlass, auf einige Probleme des Verfahrens auf Festsetzung der PKH-/VKH-Anwaltsvergütung hinzuweisen.

1. Rechtsbehelfe bei Festsetzung der PKH/VKH-Anwaltsvergütung

a) Erinnerung

Es entspricht zunächst einmal allgemeiner Auffassung in Rspr. und Lit., dass die Erinnerung gegen die Festsetzung der PKH- oder VKH-Anwaltsvergütung nach § 55 RVG unbefristet ist (s. OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218 [Hansens] = AGS 2011, 280; OLG Frankfurt RVGreport 2007, 100 [Ders.]; OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 218 [Ders.], LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Ders.]; Tür. LSG RVGreport 2019, 96 [Ders.]; Mayer/Kroiß/Pukall, RVG, 6. Aufl., § 56 Rn 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 24. Aufl., § 56 RVG Rn 8). Anderer Auffassung ist lediglich das OLG Koblenz (RVGreport 2006, 60 [Hansens]).

b) Beschwerde

Demgegenüber verweist § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung auf die entsprechende Anwendung von § 33 Abs. 3 bis 8 RVG. Dies schließt die in § 33 Abs. 3 S. 3 RVG geregelte Befristung der Beschwerde ein. Der in § 178 S. 1 SGG normierte Rechtsmittelausschluss führt nicht dazu, dass es gegen die Entscheidung des SG im Verfahren auf Festsetzung der PKH-Anwaltsvergütung kein Rechtsmittel gibt. Vielmehr sind die Regelungen der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 38 RVG über die Beschwerde in diesen Festsetzungsverfahren vorrangig (Bay. LSG AGS 2012, 584 = NJW- Spezial 2012, 6999). Dies ergibt sich bereits aus der durch das 2. KostRMoG m.W. zum 1.8.2013 eingeführten Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG, wonach die Regelungen des RVG über die Erinnerung und Beschwerde den Regelungen der jeweiligen Verfahrensordnung vorgehen.

c) Weitere Beschwerde

Ebenfalls befristet ist die – zulassungsbedürftige – weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des LG als Beschwerdegericht. Hier gilt ebenfalls die Verweisung in § 56 Abs. 2 S. 1 HS 2 RVG, sodass für die weitere Beschwerde § 33 Abs. 6 S. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 3 RVG anwendbar ist.

d) Zusammenfassung

Somit gilt für die Rechtsbehelfe in Verfahren auf Festsetzung der PKH- oder VKH-Anwaltsvergütung Folgendes:

Die Erinnerung ist unbefristet.
Für die Beschwerde gilt eine Beschwerdefrist von zwei Wochen.
Die weitere Beschwerde ist ebenfalls binnen der Beschwerdefrist von zwei Wochen einzulegen.

2. Verwirkung des Erinnerungsrechts

Ob das Erinnerungsrecht verwirken kann, ist in der Rspr. umstritten.

a) Erinnerung der Staatskasse

Teilweise wird die Auffassung vertreten, das Erinnerungsrecht der Staatskasse verwirke entsprechend § 20 GKG/§ 19 Abs. 1 FamGKG (s. etwa OLG Brandenburg RVGreport 2010, 218 [Hansens] = AGS 2011, 280; KG RVGreport 2004, 314 [Ders.]; OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 423 [Ders.]; OLG Jena Rpfleger 2006, 434; LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Ders.]; SG Berlin RVGreport 2011, 381 [Ders.]; offen: OLG Celle RVGreport 2015, 248 [Ders.] für die Rückforderung des Vorschusses vom PKH-Anwalt); a.A. OLG Düsseldorf RVGreport 2016, 218 [Ders.].

Eine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse soll aber dann nicht eintreten, wenn der Rechtsanwalt vorsätzlich oder grob fahrlässig einen unberechtigten Festsetzungsantrag gestellt hat und die Festsetzung auf diesen falschen Angaben des Rechtsanwalts beruht (Bay. LSG AGS 2012, 584; OLG Rostock JurBüro 2012, 197). Schließlich kommt eine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse dann nicht in Betracht, wenn der Rechtsanwalt seinerseits Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung eingelegt hat und sich die Staatskasse der Erinnerung angeschlossen hat.

Einigkeit besteht bei den Gerichten, die grds. von einer Verwirkung des Erinnerungsrechts ausgehen, darüber, dass neben dem sog. Zeitmoment auch das Umstandsmoment vorliegen muss. Diese Auffassung hat auch das Schleswig -Holsteinische LSG in der vorliegenden Entscheidung vertreten. Das Zeitmoment ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn zwischen dem Erlass der angefochtenen Entscheidung und der Einlegung ein Zeitraum von nur 13 Monaten (so das Thür. LSG RVGreport 2019, 96 [Hansens]) oder 15 Monaten (so das LSG Sachsen-Anhalt RVGreport 2018, 15 [Hansens] liegt.

b) Erinnerung des Rechtsanwalts

Demgegenüber besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Erinnerungsrecht des Rechtsanwalts grds. nicht verwirkt (OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 423 [Hansens]; KG RVGreport 2004, 314 [Ders.]; a.A. OLG Koblenz FamRZ 1999, 1362 zu § 128 BRAGO: Verwirkung nach Ablauf von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Festsetzung der Vergütung). Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen LSG hier kommt eine Verwirkung des Erinnerungsrechts des Rechtsanwalts nur dann ausnahmsweise in Betracht, wenn die Staatskasse aufgrund eines besonderen Verhaltens des Rechtsanwalts darauf vertrauen durfte, dass dieser sein Recht auf Einlegung der Erinnerung nicht mehr geltend machen werde. Diese Voraussetzungen dürften in der Praxis nur ganz selten vorliegen und auch bei längerem Zeitablauf nicht erfüllt sein.

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