Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 12
Nach h.M. soll dem Erinnerungsrecht in Ausnahmefällen ebenso wie dem Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (vgl. § 55 Rdn 86 f.) der Verwirkungseinwand entgegenstehen. Die wohl überwiegende Rechtsprechung wendet auch insoweit § 20 GKG analog an mit der Folge, dass eine Erinnerung unzulässig ist, wenn sie erst nach Ablauf des auf die Festsetzung folgenden Kalenderjahres erhoben wird. Teilweise wird die Jahresfrist als absolute Untergrenze angesehen und vom Eintritt der Verwirkung vor dem Hintergrund der allgemeinen Verjährungsregelung des § 195 BGB nach Ablauf von drei Jahren ausgegangen.
Gegen die Verwirkung des Erinnerungsrechts in analoger Anwendung von § 20 GKG spricht, dass der Gesetzgeber für die Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung gem. § 55 gerade keine Frist vorgesehen hat (vgl. Rdn 11). Das BVerfG hat entschieden, dass das Recht zur Stellung eines nachträglichen Beratungshilfeantrags nicht verwirken kann, weil im BerHG keine Antragsfrist vorgesehen ist und auch sonst keine Anhaltspunkte für die Verwirkung eines nachträglich gestellten Beratungshilfeantrags vorliegen. Vor diesem Hintergrund wird allein wegen Zeitablaufs der Einwand der Verwirkung nicht erhoben werden können. Für die Verwirkung müsste neben das Zeitmoment das sog. Umstandsmoment treten. Der Verpflichtete muss sich aufgrund des Verhaltens der Staatskasse darauf eingerichtet haben, dass diese ihr Rechtsmittelrecht nicht mehr geltend macht und wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen. Hierzu ist ein der Vergütungsfestsetzung nachfolgendes Verhalten erforderlich. Die geübte Praxis in etwaigen Parallelfällen begründet kein schutzwürdiges Vertrauen. Eine bloße Untätigkeit der Staatskasse kann keinen Vertrauenstatbestand begründen. Schließlich betrifft § 20 GKG die Nachforderung von Gerichtskosten durch die Staatskasse. Demgegenüber geht es bei §§ 55, 56 um eine Begünstigung des Rechtsanwalts durch eine Geldleistung, sodass es an der für die Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit fehlt.
Rz. 13
Teilweise wird auch vertreten, dass die Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse spätestens ein Jahr nach Wirksamwerden der Festsetzungsentscheidung eintritt, sofern nicht besonders missbilligenswerte Umstände in der Sphäre des Anwalts vorliegen. Für das Erinnerungsrecht des Rechtsanwalts wird diese Frage offengelassen. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass eine unterschiedliche Behandlung geboten sein kann, weil der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nur dem Rechtsanwalt, nicht aber der Staatskasse zusteht.
Rz. 14
Keine Verwirkung des Erinnerungsrechts der Staatskasse tritt aber dann ein, wenn der Rechtsanwalt vorsätzlich oder grob fahrlässig einen unberechtigten Festsetzungsantrag gestellt hat und die Festsetzung auf diesen falschen Angaben beruht. Ferner ist das Erinnerungsrecht der Staatskasse auch nicht verwirkt, wenn der Rechtsanwalt ebenfalls Erinnerung gegen die Festsetzung eingelegt hat. Denn solange über die Erinnerung des Rechtsanwalts nicht abschließend entschieden ist, kann auch die Staatskasse noch Rechtsmittel einlegen und die Festsetzung zum Nachteil des Rechtsanwalts geändert werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Verwirkung ist die abschließende Festsetzung des Rechtszugs. Auf den Zeitpunkt einer vorschussweise erfolgten Festsetzung gem. § 47 ist deshalb nicht abzustellen.
Zutreffend ist es davon auszugehen, dass die Verwirkung des Erinnerungsrechts im Vergleich zu der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB nach Ablauf einer Frist von weniger als drei Jahren nur ausnahmsweise angenommen werden kann. Es müssen hierfür neben einem erheblichen Zeitablauf grundsätzlich auch beachtliche Umstandsmomente hinzutreten, um eine Verwirkung herbeizuführen.