§ 43 GKG
Leitsatz
- Nutzungen sind nur beim Streitwert zu berücksichtigen, soweit deren Hauptleistung kein Bestandteil der Klage ist.
- Bei betragsfrei gestellten Lebensversicherungen kann der Versicherer allenfalls die Verwaltungskosten fordern, was lediglich als wiederkehrende Leistung im Streitwert zu berücksichtigen ist.
OLG Rostock, Urt. v. 14.10.2021 – 4 U 50/21
I. Sachverhalt
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Rentenversicherung. Der Kläger erklärte den Widerruf. Von den geleisteten Prämien i.H.v. 22.800,00 EUR, hatte der Kläger bereits 18.726,69 EUR zurückerhalten. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung war die Rentenversicherung bereits beitragsfrei gestellt.
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nahm er die Beklagte auf Rückzahlung der übrigen Prämien i.H.v. 4.073,31 EUR, sowie auf Zahlung von Nutzungsersatz und Zinsen in Anspruch. Darüber hinaus wollte der Kläger festgestellt haben, dass die Beklagte keinerlei Forderungen mehr gegen ihn hat.
Nach teilweiser Berufungseinlegung durch den Kläger gab die Beklagte ein Anerkenntnis ab.
Dem Kläger wurden 5.503,17 EUR zzgl. Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zugesprochen. Ebenso wurde festgestellt, dass die Beklagte aus dem konkreten Versicherungsvertrag keine Ansprüche mehr geltend machen kann. Darüber hinaus musste das Gericht nur noch über die Kosten und den Streitwert entscheiden.
II. Die Kosten waren zu quoteln
Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Beklagtenseite auferlegt. Die Kosten der ersten Instanz hatte der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4 zu tragen. Der Streitwert wurde für die zweite Instanz bis 6.000,00 EUR und für die erste Instanz bis 7.000,00 EUR festgesetzt.
Die Kostenentscheidung zulasten der Beklagten für das Berufungsverfahren folgte dem Anerkenntnis.
Bei der Festsetzung des Streitwertes war zwischen Hauptforderung und Nebenforderung i.S.d. § 43 GKG zu unterscheiden.
Bei den geltend gemachten Nutzungsentschädigungen hatte das OLG Rostock unterschieden, ob es sich um eine streitwertneutrale Nebenforderung handelt oder ob die Nutzung aufgrund der bereits erstatteten Prämien bereits zur Hauptforderung geworden sind.
Das Gericht geht hierbei zunächst von restlichen Prämien i.H.v. 4.073,31 EUR aus. Bei der zugesprochenen Nutzungsentschädigung unterscheidet es, ob sich diese auf die bereits erstatteten Prämien bezieht, oder auf die noch geltend gemachten. Hierbei kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass von den 1.622,30 EUR Nutzungsentschädigung sich 1.332,47 EUR auf die bereits erstatteten Prämien beziehen (1.622,30 : 22.800,00 x 18.726,69 = 1.332,47). Dieser Teil stellt dann keine Nebenforderung mehr dar und ist insoweit als Hauptforderung im Streitwert zu bewerten, da noch ein Abhängigkeitsverhältnis zur Hauptforderung besteht.
Darüber hinaus wird der ebenfalls gestellte Feststellungsantrag, anders als in erster Instanz (1.000,00 EUR), nur mit 70,00 EUR bewertet. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der bestehenden Beitragsfreistellung lediglich noch Verwaltungskosten hätte geltend machen können. Aufgrund der jährlichen Kosten von 20,00 EUR war der Antrag nur mit 70,00 EUR zu bewerten (§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG, §§ 3 und 9 ZPO).
III. Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des Gerichts ist zutreffend.
Sind außer dem Hauptanspruch auch Nebenforderungen betroffen, regelt § 4 ZPO deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung beim Beschwerdewert und § 43 GKG beim Streitwert für die Gerichts- und Anwaltskosten. In den meisten Fällen handelt es sich um herauszugebende Nutzungen, Zinsen oder Kosten der Rechtsverfolgung.
Üblicherweise gibt es kein Problem, wenn neben der gesamten Hauptforderung Nebenforderungen geltend gemacht werden, die von der Hauptforderung abhängig sind. In diesen Fällen bleiben die Nebenforderungen im Streitwert unberücksichtigt.
Ebenso unkritisch sind die Fälle, in denen nur noch die Nebenforderung klageweise verfolgt wird. Hier ist die Nebenforderung naturgemäß zur Hauptforderung geworden.
Durchaus kontrovers werden jedoch die Fälle bewertet, in denen nur noch ein Teil der Hauptforderung, aber sämtliche Nebenforderungen geltend gemacht werden. Mit anderen Worten, nicht alle Nebenforderungen stehen noch in direktem Zusammenhang mit der geltend gemachten Hauptforderung. So lag der Fall auch hier.
Nun könnte man argumentieren, dass das Gebot der praktischen, einfachen und klaren Wertermittlung berücksichtigt werden muss. Demnach ist eine Differenzierung bei der Nutzungsentschädigung nicht praktikabel, wenn es um Zuständigkeits- oder Beschwerdewertermittlung im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 2. HS ZPO geht (vgl. BGH Beschl. v. 19.12.2018 – IV ZB 10/18). Eine Differenzierung der Nutzungsherausgabeansprüche nach deren Abhängigkeitsverhältnis wäre zu kompliziert und der Zweck einer Vereinfachung der Berechnung werde verfehlt.
Teilweise wird dann aber auch vertreten, dass dieser Ansatz ebenso für die Gebührenwertermittlung nach § 39 ff. GKG geltend muss. Es können nicht darauf ankommen, ob die Berechnung schwierig sei, oder auch nur Bruchteile der Hauptforderung erstattet wurden und folglich die hiera...