Entscheidungsstichwort (Thema)

Unschädlicher Fehler in einer Widerspruchsbelehrung nach § 5a Abs. 2 S. 1 VVG aF bei Angabe einer zu langen Widerspruchsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist in einer Widerspruchsbelehrung zu einer im sog. Policenmodell gemäß § 5a VVG aF abgeschlossenen Lebensversicherung die Widerspruchsfrist mit 30 Tagen angegeben, obwohl im Zeitpunkt der Policierung noch eine Frist von 14 Tagen galt, macht dies die Belehrung im Hinblick auf die dem Versicherungsnehmer zu seinen Gunsten eingeräumte längere Frist nicht fehlerhaft (Anschluss an OLG Köln, Urt. v. 8.4.2016 - 20 U 198/15; s. a. BGH BeckRS 2015, 21001 Rn. 11).

2. Macht der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG aF im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung neben einem Anspruch auf Prämienrückgewähr Nutzungsersatz geltend, stehen diese einzelnen in das bereicherungsrechtliche Saldo einzubeziehenden Positionen regelmäßig gleichrangig nebeneinander und nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander, so dass der geltend gemachte Nutzungsersatz nicht als Nebenforderung iSv § 4 ZPO, § 43 Abs. 1 GKG einzuordnen ist.

 

Normenkette

GKG § 43 Abs. 1; VVG § 5a Fassung: 2004-12-02; VVG § 5a Fassung: 2001-07-13; ZPO § 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 14.12.2017; Aktenzeichen 12 O 9304/17)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.12.2017, Az. 12 O 9304/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers erscheint bei vorläufiger Bewertung begründet.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

1. Das Landgericht hat die Klage ohne Rechtsfehler und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Dem Kläger stand bei Erklärung seines Widerspruchs erst im Jahr 2016 kein Widerspruchsrecht mehr zu. Er wurde mit Übermittlung des Versicherungsscheins vom 24.11.2004 formell und inhaltlich ordnungsgemäß belehrt und es ist davon auszugehen, dass er alle nach § 5a Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 VVG a.F. (vom 13.07.2001) erforderlichen Unterlagen erhalten hat, so dass die in der Belehrung auf Seite 2 des Versicherungsscheins genannte Widerspruchsfrist von 30 Tagen mit Erhalt der Unterlagen zu laufen begann.

Die Berufung wendet sich gegen die vom Landgericht bejahte inhaltliche Ordnungsmäßigkeit der Widerspruchsbelehrung allein deswegen, weil darin eine Widerspruchsfrist von 30 Tagen angegeben ist, wie sie für Lebensversicherungsverträge gemäß § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG i.d.F. vom 02.12.2004 ab 08.12.2004 galt, während zur Zeit der Übersendung/ des Erhalts des Versicherungsscheins noch § 5a VVG i.d.F. vom 13.07.2001 in Kraft war, wonach die Frist auch für Lebensversicherungsverträge lediglich 14 Tage betrug.

Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger zu seinen Gunsten eingeräumte längere Frist - offenbar im Vorgriff auf die anstehende Gesetzesänderung - die Belehrung nicht fehlerhaft macht. Bereits in der im Urteil zitierten Entscheidung vom 16.12.2015, Az. IV ZR 71/14, Rn. 12, hat der Bundesgerichtshof inzident zum Ausdruck gebracht, dass die Einräumung einer längeren Frist nicht schadet, da sich der Versicherer ggf. daran festhalten lassen muss - auch wenn die Fallgestaltung dort eine etwas andere war. Darüber hinaus hat das OLG Köln mit Urteil vom 08.04.2016, Az. I-20 U 198/15, juris, ausdrücklich über eine Fallgestaltung wie hier im Sinne der Auffassung des Landgerichts und des Senats entschieden (vgl. juris Rn. 29). Der Bundesgerichtshof hat die dort zugelassene Revision unter Az. IV ZR 125/16 mit Beschlüssen vom 27.09.2016 und 17.11.2016 (ebenfalls veröffentlicht bei juris) zurückgewiesen. Im Revisionsverfahren stand nach der Begründung der Beschlüsse die hier betroffene Rechtsfrage offenbar gar nicht mehr im Streit, da diese Thematik nicht angesprochen wird. Im Übrigen wird angemerkt, dass bei einer solchen Belehrung entgegen der Auffassung der Berufung keine Verwirrung des Versicherungsnehmers zu befürchten ist. Die Belehrung beschreibt aus sich heraus, in sich abgeschlossen, eindeutig und klar das dem Versicherungsnehmer eingeräumte Widerspruchsrecht, dessen Fristbeginn und Dauer; eine erläuternde Verweisung auf gesetzliche Vorschriften enthält sie (insoweit zulässig) nur hinsichtlich § 10a VAG, hingegen weder allgemein noch speziell hinsichtlich § 5a VVG.

Die weiteren Ausführungen der Berufungsbegründung beziehen sich auf die Voraussetzungen einer etwaigen Verwirkung, wenn der Versicherungsne...

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