§§ 1835 Abs. 3, 1908i Abs. 1 S. 1 BGB; § 5 Abs. 5 S. 2 VBVG
Leitsatz
- Im Regelfall ist davon auszugehen, dass ein für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellter nicht anwaltlicher Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe im Rahmen des Insolvenzverfahrens des Betreuten keiner anwaltlichen Hilfe bedarf.
- Ein Rechtsanwalt, der zugleich als Betreuer tätig ist, darf nur dann seine anwaltlichen Dienste gesondert abrechnen, wenn die Tätigkeit nicht vom Leistungsumfang der Betreuung und der Betreuervergütung abgedeckt ist.
BGH, Beschl. v. 30.11.2022 – XII ZB 311/22
I. Sachverhalt
Ein auf dem Gebiet des Insolvenzrechts tätiger Rechtsanwalt wurde zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt. Er begleitete den Betroffenen, der früher selbstständig tätig gewesen und hierdurch in finanzielle Schieflage geraten war, zunächst im Rahmen eines auf Fremdantrag eingeleiteten Insolvenzverfahrens und bereitete nach dessen Aufhebung einen Eigenantrag des Betroffenen auf Durchführung eines Regelinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung vor. In seinem Vergütungsantrag hat der Betreuer die Festsetzung einer Vergütung nach dem RVG i.H.v. 907,97 EUR brutto für seine Betreuertätigkeit insoweit beantragt. Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt er weiterhin die Festsetzung der beantragten Betreuervergütung. Der BGH verneinte dies im Hinblick auf seine Vergütung als Betreuer. Insoweit könne nicht zusätzlich eine Vergütung nach dem RVG abgerechnet werden.
II. Kein besonderer Beratungsbedarf bei Vergleich zu einem Berufsbetreuer
Der BGH wie auch die Vorinstanzen waren der Ansicht, der Betreuer könne die geltend gemachte Vergütung neben der pauschalen Betreuervergütung nicht verlangen, weil davon auszugehen sei, dass ein nicht anwaltlicher Betreuer der höchsten Vergütungsstufe die entfalteten Tätigkeiten ohne anwaltliche Unterstützung erbracht hätte. Dass ein Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufe im Regelinsolvenzverfahren anwaltliche Unterstützung benötige, sei mit Blick auf die gerichtliche Beratungspflicht aus § 1837 Abs. 1 S. 1, § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB nicht anzunehmen.
III. Keine Schwierigkeiten
Der BGH und die Vorinstanzen sahen keine besonderen Schwierigkeiten – auch im Rahmen der Eigeninsolvenz. Zum einen sei bereits ein Verfahren aktenkundig, auf dessen Informationen zurückgegriffen werden könne. Zum anderen sei die Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses bereits Bestandteil der allgemeinen Amtsführung des Betreuers.
IV. Abgeltungsbereich der Betreuervergütung und Vergleich zu einem nichtanwaltlichen Betreuer
1. Abgeltungsbereich
Mit der pauschalen Vergütung nach § 1836 Abs. 2 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB, §§ 4, 5 VBVG sei – so der BGH – grds. die gesamte Tätigkeit des Betreuers abgegolten. Nach der gem. § 1 Abs. 2 S. 3 RVG, § 5 Abs. 5 S. 2 VBVG anwendbaren Regelung in § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB kann jedoch ein Betreuer die dem Betreuten erbrachten Leistungen, die zu seinem Beruf gehören, als Aufwendungen gesondert geltend machen. Der als Betreuer bestellte Rechtsanwalt kann daher eine Tätigkeit im Rahmen der Betreuung gem. § 1835 Abs. 3 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, wenn und soweit sich die zu bewältigende Aufgabe als eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit darstellt. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz, dass der Betreute – und bei mittellosen Betroffenen die Staatskasse – keinen Vorteil daraus ziehen soll, dass sein Betreuer zufällig aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation etwas verrichten kann, wozu ein anderer Betreuer berechtigterweise die entgeltlichen Dienste eines Dritten in Anspruch nehmen würde.
2. Vergleich zu nichtanwaltlichem Betreuer
Für die Tätigkeiten im Insolvenzverfahren – so der BGH – ergebe aber ein Vergleich zu einem nichtanwaltlichen Betreuer, dass keine Notwendigkeit für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes bestünde. Gem. § 305 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 InsO bedarf es zwar für einen Eigeninsolvenzantrag einer aufgrund persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellten Bescheinigung, aus der sich ergibt, dass ein Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung gescheitert ist; die Bescheinigung ist auch von einer geeigneten Person oder Stelle auszustellen, zu der auch Rechtsanwälte gehören. Voraussetzung für die Anerkennung ist dabei u.a., dass die erforderliche Rechtsberatung sichergestellt ist. Im entschiedenen Sachverhalt befand sich der Schuldner in Bayern. Voraussetzung für die Anerkennung ist dort u.a., dass die erforderliche Rechtsberatung sichergestellt ist (Art. 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BayAGSG). Dies ist nach Art. 112 Abs. 2 S. 3 BayAGSG der Fall, wenn mindestens eine der in der Stelle tätigen Personen für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts qualifiziert ist oder eine solche Person der Stelle beratend zur Seite steht. Nach Art. 112 Abs. 2 S. 2 BayAGSG soll zudem jede zur Insolvenzberatung eingesetzte Person für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts oder ein Amt a...