1. Grundsatz: elektronisches Dokument
Man kann streiten, ob das OLG Bamberg über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG zu Recht auf § 130d ZPO zurückgegriffen hat. Käme man nicht zu der Verweisung auf § 130d ZPO, würde § 14b Abs. 1 FamFG direkt eingreifen, der denselben Wortlaut hat. Dies hat zur Folge, dass auch die Staatskasse – hier vertreten durch die Bezirksrevisorin – verpflichtet ist, ihre sofortige Beschwerde gem. § 130d Abs. 1 S, 1 ZPO bzw. § 14b Abs. 1 FamFG in elektronischer Form einzureichen.
2. Ausnahme: Vorübergehende technische Störung
Eine Ausnahme gilt gem. § 130d S. 2 und 3 ZPO bzw. § 14b Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG nur im Falle einer vorübergehenden technischen Störung. Es müssen somit Anhaltspunkte vorgetragen werden, aus denen ersichtlich ist, dass der Staatskasse die elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich gewesen sei. Eine solche Ausnahme hatte hier die Bezirksrevisorin nicht vorgetragen. Vielmehr hatte sie sich auf den Standpunkt gestellt, dass die Verfahrensvorschriften über die elektronische Übermittlung der sofortigen Beschwerde für sie als Bezirksrevisorin nicht gelten. Das OLG Bamberg ist dieser Argumentation mit überzeugenden Erwägungen nicht gefolgt.
3. Praktische Folgen
Dies hat die Folge, dass mit Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs ab 1.1.2022 Rechtsmittel oder schriftliche Anträge der Staatskasse wie bspw. in § 56 RVG, § 4 JVEG, § 66 GKG, § 57 FamGKG, § 81 GNotKG, § 5 GvKostG oder in § 304 FamFG vorgesehen, stets elektronisch übermittelt werden müssen. Dies hat vor kurzem das LG Lübeck (AGS 2023, 41 [Hansens]) für die Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung eines hinzugezogenen Arztes nach § 4 Abs. 3 JVEG angenommen.
In vielen Fällen ist der Rechtsbehelf der Staatskasse nicht befristet. Deshalb kann sie den Formmangel beheben und ihre Rechtsmittel oder Anträge später als elektronisches Dokument übermitteln. Bei der sofortigen Beschwerde gegen die ratenfreie Bewilligung von PKH bzw. VKH nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 3 ZPO ist jedoch Eile geboten, weil dort die einmonatige Beschwerdefrist einzuhalten ist.
4. Verfahrensweise des Rechtsanwalts
Die Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten der jeweiligen Gegner der Staatskasse sollten künftig sorgfältig prüfen, ob die Staatskasse ihr Rechtsmittel oder ihren Antrag formgerecht als elektronisches Dokument übermittelt hat. Ist dies nicht der Fall, sollte der Rechtsanwalt das Gericht auf diesen Formmangel hinweisen. Hat die Staatskasse ihre (sofortige) Beschwerde nicht formgerecht eigereicht, kann verhältnismäßig einfach eine dem Mandanten günstige Entscheidung, nämlich die Verwerfung des Rechtsmittels der Staatskasse, erreicht werden.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
AGS 2/2023, S. 86 - 88