1. Es stellt sich die Frage, welche Folgerungen aus dieser Entscheidung zu ziehen sind. Fasst man die Aussagen des EuGH zusammen, dann soll die Vereinbarung einer Zeitvergütung in einem Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt und einem Verbraucher nur dann klar und verständlich sein, wenn der Verbraucher vor Vertragsabschluss so informiert wurde, dass er seine Entscheidung zum Vertragsschluss mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen treffen konnte (vgl. auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Geschieht das nicht, kann das nationale Gericht die Lage wiederherstellen, in der sich der Verbraucher ohne die Klausel befunden hätte, auch wenn der Anwalt dann keine Vergütung erhält.

Legt man den strengen Maßstab wortgenau an, wäre m.E. die Vereinbarung eines Stundenhonorars kaum noch möglich. Denn welcher Rechtsanwalt kann bei Mandatsübernahme den zeitlichen Aufwand so abschätzen, dass er den Mandanten so informiert, dass dieser schon zu diesem frühen Zeitpunkt seine Entscheidung, ein Stundenhonorar zu vereinbaren "in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen treffen konnte." Das wird vom EuGH zwar auch gesehen, wie damit aber umzugehen ist, bleibt offen. Fraglich ist m.E. auch, ob der Rechtsanwalt in den Fällen einer "missbräuchlichen Klausel" nach nationalem deutschen Recht keine Vergütung erhält. Denn die nationale Rspr. ist (bislang) davon ausgegangen, dass dann, wenn eine Stundensatzvereinbarung unwirksam ist, nach RVG abgerechnet werden kann (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A Rn 2440, AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, § 3a Rn 17, jeweils m.w.N.).

2. Auf der Grundlage dieser Entscheidung ist aber auf jeden Fall zu empfehlen, noch genauer als in der Vergangenheit, den Mandanten über den voraussichtlich erforderlichen Zeitaufwand zu informieren. Vor der Vereinbarung eines Stundenhonorars ohne weitere Erläuterungen und Erklärungen ist jedenfalls zu warnen. Insoweit wird insbesondere die Komplexität des Sachverhalts, der Umfang des vorhandenen und des ggf. noch zu erwartenden Materials, das für die Fallbearbeitung eine Rolle spielt bzw. spielen kann, die Schwierigkeit der Rechtslage von Bedeutung sein. Auf der Grundlage wird der Rechtsanwalt eine zumindest grobe Einschätzung des zu erwartenden Zeitaufwands geben können/müssen. Ist das nicht möglich, was z.B. in Strafsachen der Fall sein kann, sollte der Rechtsanwalt m.E. einen Vorbehalt machen und im Einzelnen darlegen, welche Umstände die Einschätzung als fehlerhaft erscheinen lassen können. Darüber hinaus dürften sich "Zwischeneinschätzungen" und Teilrechnungen empfehlen, da diese es dem Mandanten ermöglichen, die bei Vertragsschluss vorgenommene "Grundeinschätzung" zu überprüfen.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 2/2023, S. 69 - 71

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