Das LG hat die von dem ehemaligen Angeklagten geltend gemachten Fahrtkosten von seinem Wohnsitz in Österreich aus nach Pforzheim als erstattungsfähig angesehen. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit sei § 5 Abs. 5 JVEG, der unmittelbar anwendbar sei. Durch den ausdrücklichen gesetzlichen Verweis bedürfe es einer entsprechenden Anwendung von §§ 5, 6 JVEG nicht (in diesem Sinne aber offenbar Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 464a Rn 15 m.w.N.). Aus § 5 Abs. 5 JVEG folge: Werde die Reise zum Ort des Termins "von einem anderen als dem" in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle "unverzüglich angezeigten Ort" angetreten oder werde zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, würden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände gezwungen gewesen sei.

Eine förmliche Anzeige des Reiseantritts des ehemaligen Angeklagten aus Österreich sei nicht aktenkundig. Die jedenfalls von ihm behauptete Erwähnung seiner Arbeitsstelle in Österreich im Rahmen der Hauptverhandlung erfülle erkennbar nicht die Anforderung an eine ordnungsgemäße Anzeige. Dem Wortlaut der Norm nach kommt die vom ehemaligen Angeklagten begehrte Erstattung nach billigem Ermessen demnach nur noch in Betracht, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände gezwungen gewesen sei (vgl. LG Koblenz MDR 1998, 1183 zu § 9 ZESG; erwähnt bei JVEG/Schneider, 4. Aufl., 2021, JVEG, § 1 Rn 158).

Für Angeklagte sei die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang mit den Vorschriften der StPO jedoch einschränkend auszulegen: Die unverzügliche Anzeige solle dem Gericht nur die Prüfung ermöglichen, ob es den Zeugen, Sachverständigen oder sonstigen Beteiligten zunächst abbestellen will (vgl. OLG Dresden JurBüro 1998, 269). Hätte das Gericht die Ladung aber in jedem Fall aufrechterhalten, so seien dem Beteiligten die Mehrkosten der An- und/oder Rückreise von oder zu einem anderen als dem in der Ladung angegebenen Ort auch dann zu erstatten, wenn er die Anreise von dem anderen Ort verspätet oder überhaupt nicht angezeigt habe (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2013, 62; OLG Dresden JurBüro 1998, 269; OLG Schleswig Rpfleger 1962, 367; Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl., 2010, § 5 Rn 5.23). Das sei aber bei Angeklagten stets der Fall. Da gegen einen ausgebliebenen Angeklagten gem. § 230 Abs. 1 StPO eine Hauptverhandlung grds. nicht stattfinden könne, sei es ausgeschlossen, dass das AG den ehemaligen Angeklagten abgeladen hätte, wenn er seine Anreise aus Österreich rechtzeitig angezeigt hätte. Zwar wäre es ihm gem. § 411 Abs. 2 S. 1 StPO grds. möglich gewesen, seinen Verteidiger für die Vertretung im Einspruchsverfahren gegen einen Strafbefehl gesondert zu bevollmächtigen. Insofern hätte ausnahmsweise entgegen § 230 Abs. 1 StPO eine Hauptverhandlung auch ohne den ehemaligen Angeklagten stattfinden können. Eine solche Vorgehensweise liege indes nicht in der Disposition des Gerichts. Die insoweit von der Bezirksrevision hypothetisch angedachte Möglichkeit einer kostenschonenden Terminierung von Hauptverhandlungen rund um die Verfügbarkeiten des Beschwerdeführers an seiner Meldeadresse in Pforzheim entspreche nicht den realen organisatorischen Gegebenheiten einer durch erheblichen Terminierungsdruck geprägten Strafjustiz. Die fehlende Anzeige stehe also der Erstattungspflicht hier nicht entgegen.

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