§§ 465, 472b StPO
Leitsatz
- Einziehungsbeteiligten können die durch ihre Beteiligung entstandenen besonderen Kosten nur nach § 472b Abs. 1 S. 1 StPO auferlegt werden. Dies setzt aber voraus, dass eine Einziehung tatsächlich angeordnet worden ist.
- Die notwendigen Auslagen eines Einziehungsbeteiligen sind regelmäßig nicht aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn von einer Einziehungsentscheidung gegen diesen abgesehen wird, nachdem der aus der Tat erwachsene Wertersatzanspruch des Verletzten infolge von diesem veranlasster Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Anordnung der Einziehungsbeteiligung, aber vor Abschluss des Verfahrens erloschen ist.
LG Hildesheim, Beschl. v. 13.12.2023 – 21 Qs 4/23
I. Sachverhalt
Im Jahr 2022 erließ das AG einen Strafbefehl, in dem es gegen die Angeklagte wegen zahlreicher Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt eine Gesamtgeldstrafe verhängte und gegen die Einziehungsbeteiligte eine Einziehungsanordnung traf. Hiergegen legten sowohl die Angeklagte als auch gesondert hiervon die – durch die Angeklagte als Geschäftsführerin vertretene – Einziehungsbeteiligte jeweils Einspruch ein, woraufhin das AG im Februar 2023 eine Hauptverhandlung für den 7.9.2023 anberaumte.
Zwei Tage vor der Hauptverhandlung teilte der damalige Verteidiger der Angeklagten mit, dass die der tatverletzten Krankenkasse aus den verfahrensgegenständlichen Taten erwachsenen Ansprüche durch im Januar 2023 erfolgte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vollständig erfüllt seien. Den Einspruch der Angeklagten nahm er zugleich zurück. In der mit Blick auf den fortbestehenden Einspruch der Einziehungsbeteiligten durchgeführten Hauptverhandlung vor dem AG trat der vorherige Verteidiger der Angeklagten unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht als Vertreter der Einziehungsbeteiligten auf. Mit am Schluss der Sitzung verkündetem Urteil sprach das AG die "Aufhebung" der Einziehungsentscheidung aus dem Strafbefehl aus und legte der Einziehungsbeteiligten "die Kosten und die eigenen notwendigen Auslagen, die die Einziehungsentscheidung betreffen" auf.
Gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung wendet sich die Einziehungsbeteiligte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die sofortige Beschwerde hatte hinsichtlich der angeordneten Kostenfolge einen geringen Teilerfolg. Hinsichtlich der in erster Linie von der Einziehungsbeteiligte erstrebten Überbürdung ihrer notwendigen Auslagen auf die Staatskasse blieb das Rechtsmittel hingegen erfolglos.
II. Kostentragung durch die Einziehungsbeteiligte
Den Ausspruch über die Kostentragung durch die Einziehungsbeteiligte hat das LG, auch soweit diese nur die Einziehungsentscheidung betreffen, aufgehoben. Die Kosten konnten der Einziehungsbeteiligten nicht auf der Grundlage von § 465 Abs. 1 StPO auferlegt werden, weil die Einziehungsbeteiligte nicht – wie von der Vorschrift verlangt – Angeklagte ist (KK-StPO/Gieg, 9.Aufl., 2023, § 472b Rn, 2; für das objektive Verfahren ebenso BGH, Beschl. v. 13.11.2019 – 3 StR 222/19). Einziehungsbeteiligten können nach § 472b Abs. 1 S. 1 StPO allenfalls die durch ihre Beteiligung entstandenen besonderen Kosten auferlegt werden. Dies setze aber stets voraus, dass eine Einziehung tatsächlich angeordnet worden sei. Nachdem das AG die im Strafbefehl gegen die Einziehungsbeteiligte angeordnete Einziehung im Urteilsspruch "aufgehoben" habe, fehle es hieran. Unterbleibe eine Einziehungsentscheidung, sehe das Gesetz keine Kostentragung durch Einziehungsbeteiligte vor.
III. Notwendige Auslagen der Einziehungsbeteiligten
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des AG richtete, wonach die Einziehungsbeteiligte ihre eigenen notwendigen Auslagen selbst zu tragen hatte, hatte das Rechtsmittel hingegen keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für die Einziehung ist abweichend von der Begründung der angefochtenen Entscheidung aus den genannten Gründen wiederum nicht § 465 Abs. 1 StPO. In Fällen, in denen eine Einziehungsanordnung, gleich aus welchem Grund, unterbleibe, richte sich die Auslagentragung des Nebenbeteiligten vielmehr nach § 472b Abs. 3 StPO. Danach können die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten der Staatskasse oder einem anderen Beteiligten auferlegt werden. Daraus folge, dass der Nebenbeteiligte im Grundsatz seine Auslagen selbst zu tragen habe (MüKo-StGB/Maier, 2019, § 472b Rn 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., 2023, § 472b Rn 6). Davon, die notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten – § 467 Abs. 1 StPO entsprechend – in diesen Fällen stets der Staatskasse aufzuerlegen, habe der Gesetzgeber bewusst abgesehen (BT-Drucks V/1319, 86). Eine Überbürdung der notwendigen Auslagen eines Nebenbeteiligten im Ganzen oder in Teilen erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts nur, wenn das Tragen der eigenen Auslagen unbillig erscheine.
2. Eigene Ermessensentscheidung
Eine solche Ermessensbetätigung habe das auf § 465 Abs. 1 StPO als Rechtsgrundlage abstellende AG nicht vorgenommen, weshalb sie von der Kammer gem. § 309 Abs. 2 StPO selbst vorzunehmen sei (OLG Hamm, Beschl. v. 7.12.2017 – 5 Ws 541/17; KK-StPO/Zabeck, a.a.O., § 309 Rn 6). ...