Das Hohe Lied des freien Berufes
Am 4.3.2009 feierte der Bundesverband der freien Berufe in Berlin sein 60-jähriges Bestehen.
Alles, was Rang und Namen hatte, war erschienen. Die Präsidenten der verschiedenen Berufsverbände lobten die Kraft und die Gemeinnützigkeit der freien Berufe, Alfons Schuhbeck stellte – den Krisenzeiten entsprechend – das berühmte "nur ein Süppchen" zur Verfügung und die Kanzlerin ließ es sich nicht nehmen, die wahre Ursache der weltweiten Probleme zu erklären: "Die Amerikaner haben zu lange über ihre Verhältnisse gelebt."
Natürlich wurde hervorgehoben, wie wichtig die freien Berufe für die Gesellschaft sind, und dass man durch die Milliardenkredite für die Banken – mittelbar – auch die freien Berufe unterstütze.
Freilich blieb nach der Veranstaltung die Frage im Raume stehen: Wie frei sind die freien Berufe wirklich, bzw. wie lange werden sie noch frei bleiben? So wird immer wieder – cui bono? – die Frage thematisiert, was den Freiberufler eigentlich vom Gewerbetreibenden noch unterscheide.
Nun könnte man mit der Antwort ein ganzes Heft füllen, und eigentlich erleben Bundesbürger tagtäglich, dass das Profitstreben des Gewerbetreibenden alles andere als das Maß aller Dinge eines Freiberuflers ist. Wenngleich auch nicht geleugnet werden kann, dass auch der Freiberufler von seinem Beruf lebt und leben muss, so fühlt er sich doch auch ungeschriebenen oder auch geschriebenen Gesetzen und Vorschriften verpflichtet, die den Gewerbetreibenden nicht weiter zu interessieren haben.
Bezogen auf die Rechtsanwälte hilft hier bereits ein Blick in die BRAO und in die BORA. Bezogen auf die Rechtsanwälte wird man aber auch relativ schnell bei sog. Sonderopfern fündig, die Anwälte seit Jahrzehnten für die Allgemeinheit erbringen und für die sich Gewerbetreibende im wahrsten Sinne des Wortes herzlich bedanken würden.
Gemeint sind die Prozesskostenhilfe und die Beratungshilfe, bei denen Anwälte weit unter Selbstkostenpreisen der sog. armen Partei den Weg zum Recht ermöglichen. All dies scheint allerdings in der heutigen Zeit immer noch nicht genug. Da, wo viel von Privatisierung von Gewinnen und Solidarisierung von Verlusten die Rede ist, scheint man ein geradezu diebisches Vergnügen daran zu finden, die Freiberufler – in unserem Fall die Anwälte – mit einem besonderen Dank zu versehen, wenn man sie schon – noch nicht – der Gewerbesteuer unterwerfen kann.
Drei Beispiele mögen dies verdeutlichen:
Beispiel 1: Rechtspfleger – und ihnen folgend Gerichte – machen sich ein Vergnügen daraus, die ohnehin bescheidenen Prozesskostenhilfegebühren durch das Zauberkunststück des BGH dadurch noch weiter zu Gunsten der Staatskasse zu reduzieren, dass man weder in Rechnung gestellte noch verdiente Gebühren – im wahrsten Sinne des Wortes fiktiv – abzieht. Dass hierdurch insbesondere die Kanzleien in ernste Existenznöte geraten, die den Ärmsten der Armen helfen, ist sicherlich eine Marktbereinigung der ganz besonderen Art.
Beispiel 2: Zwar hat die Höhe der Gerichtskosten inzwischen einen Umfang angenommen, dass selbst Normalverdiener den Weg zum Gericht scheuen; die Justiz hindert dies aber nicht, mehr und mehr ihre ureigenen Aufgaben bei der Anwaltschaft abzuladen. Dies begann vor einigen Jahren schon damit, dass man Rechtsanwälte für verpflichtet erklärte, die gerichtlichen Empfangsbekenntnisse auf eigene Kosten zurückzusenden. Das setzte sich fort, als man von Rechtsanwälten eine Art Kopiergebühr dafür verlangte, dass diese zur Beschleunigung des Verfahrens nicht nur die für das Gericht bestimmten Schriftsätze, sondern auch die Durchschriften für die Kollegen oder die Anlagen ans Gericht faxten, etwa weil die Gerichte wieder einmal die Fristen zu kurz bestimmt hatten.
Die Krönung ist nunmehr zu beobachten, wenn Gerichte die Protokolle und Urteile nicht mehr in der erforderlichen Anzahl für Anwalt und Partei mit der Post verschicken, sondern ausschließlich per Fax, damit nunmehr die Kanzlei jenes Papier verbraucht, das mit den Gerichtskosten bereits so reichlich gezahlt wurde. Übrigens: Nach der Entscheidung des Gesetzgebers sind die beim Anwalt entstehenden Kopiekosten mit der Verfahrensgebühr bereits abgegolten.
Beispiel 3: Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, einer armen Partei Beratungshilfe zu gewähren, es sei denn, für die Ablehnung eines solchen Mandates liegt ein sog. wichtiger Grund vor. Die 4. Satzungsversammlung hat sich aufgrund der Unzulänglichkeiten in der Praxis und aufgrund haarsträubender Bearbeitungsweisen mancher Rechtspfleger veranlasst gesehen, diesen sog. wichtigen Grund in einem Katalog näher zu definieren. Diese notwendige und sinnvolle Gesetzesänderung, die in erster Linie den Rechten der ratsuchenden armen Partei dient, hat das BMJ abgelehnt und zwar u.a. mit Begründungen, die einem buchstäblich die Sprache verschlagen:
Im Klartext ist dort nachzulesen, dass ein Rechtsanwalt praktisch überhaupt keine Möglichkeit hat, die Beratungshilfe zu verweigern, ausdrücklich auch dann nicht, wenn er von dem betroffenen ...