Dr. Julia Bettina Onderka
Während der Gesetzgeber auf der einen Seite gerne wegen unpraktikabler Vorschriften oder gesetzgeberischer Versäumnisse kritisiert wird, haben die Gerichte auf der anderen Seite manchmal auch Mühe, eine gesetzgeberische Wohltat als solche anzunehmen. Dies zeigt die hier vom BGH aufgehobene Entscheidung des Berufungsgerichts, das die Voraussetzungen der Einigungsgebühr zu eng ausgelegt hat.
Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV hat als Ersatz der früheren Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO) bewusst einen deutlich weiteren Anwendungsbereich erhalten. Um die zahlreichen Streitigkeiten darüber zu vermeiden, wann eine Vereinbarung ein gegenseitiges Nachgeben enthielt und damit als Vergleich im Sinne des § 779 BGB eine Vergleichsgebühr auslösen konnte, wollte der Gesetzgeber nunmehr die Arbeit des Anwalts für jegliche vertragliche Beilegung eines Streits honorieren. Statt aber dies in der Praxis auch konsequent umzusetzen, problematisieren die Gerichte unter Geltung der Neuregelung vermehrt die Frage, ob die betreffende Regelung nicht lediglich ein Anerkenntnis oder einen Verzicht der Parteien enthalte. Die Prüfung des früher geltenden gegenseitigen Nachgebens scheint zu einer liebgewordenen Gewohnheit geworden zu sein, die man nun – unzulässigerweise – über die Hilfskonstruktion der Beschränkung auf Anerkenntnis oder Verzicht beizubehalten versucht.
Zutreffend hat der BGH diese Vorgehensweise in der vorliegenden Entscheidung nicht hingenommen, sondern unter Bezugnahme auf den gesetzgeberischen Willen bei Schaffung der Einigungsgebühr klargestellt, dass diese nur dann ausnahmsweise nicht entsteht, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag ausschließlich das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch zum Inhalt hat. Dagegen hat er für den vorliegenden Fall eines gegenseitigen Verzichts auf Unterhalt zutreffend eine Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV bejaht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt es auch nicht darauf an, ob zwischen den Ehegatten Streit über den Vertragsentwurf der Klägerin geherrscht hat. Denn entscheidend ist, ob über das vertraglich geregelte Rechtsverhältnis zwischen den Parteien Streit oder Unsicherheit bestand, nicht aber, ob die vom Anwalt zur Regelung dieses Rechtsverhältnisses entworfenen Vertragspassagen in Streit standen. Angesichts des Umstandes, dass sich die Beklagte an die Klägerin gewandt hatte, weil sie fürchtete, von der Gegenseite "über den Tisch gezogen" zu werden, kann an einem bestehenden Streit bzw. einer Unsicherheit über die gegenseitigen Ansprüche im Rahmen der Trennung der Eheleute auch kein Zweifel bestehen.
Durch den Entwurf einer Vereinbarung, die keine reine Niederlegung einer bereits bestehenden Willensübereinstimmung darstellte und von den Parteien im Wesentlichen übernommen wurde, konnte der Anwalt eine Einigungsgebühr neben der Geschäftsgebühr verdienen. Da die Einigungsgebühr an einen bestimmten Erfolg anknüpft, wird sie von der Geschäftsgebühr, die als Tätigkeitsgebühr ausgestaltet ist, auch nicht verdrängt.
Nach dem mitgeteilten Sachverhalt wurde die Klägerin von der Beklagten beauftragt, einen Ehe- und Scheidungsfolgenvertrag zu entwerfen. Damit ist gem. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV der Anwendungsbereich der Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV) eröffnet. In der Praxis kann in solchen Fällen gegebenenfalls der Auftrag zur Durchführung einer Beratung gebührenrechtlich günstiger sein. Verfügt der Mandant nämlich über eine Rechtsschutzversicherung in familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten, so besteht
für eine Beratung Deckungsschutz, nicht jedoch für eine weitergehende Tätigkeit, also beispielsweise eine Vertretung i.S.v. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV (vgl. § 2k ARB 2000). Neben der gesetzlichen Gebühr für die Beratung (§ 34 RVG) erstatten die Rechtsschutzversicherer in der Regel auch die Kosten einer Einigung, sofern sie auf einer Beratung beruht.
RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn