Dr. Julia Bettina Onderka
RVG VV Nr. 1000
Leitsatz
Die Ausarbeitung des Entwurfs eines Vertrages, der danach abgeschlossen wird, kann – sofern damit eine auf ein Rechtsverhältnis bezogene Unsicherheit beseitigt wird – eine Mitwirkung beim Abschluss eines Einigungsvertrags i.S.d. Nr. 1000 VV bedeuten.
BGH, Urt. v. 20.11.2008 – IX ZR 186/07
1 Aus den Gründen
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, eine Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV stehe der Klägerin nicht zu. Diese Gebühr setze die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages voraus, durch welchen der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werde. Hieran fehle es. Die Klägerin habe mit der Fertigung des Entwurfs nur bei der Gestaltung eines Vertrages mitgewirkt. Diese Tätigkeit sei in Vorbem. 2.3 VV ausdrücklich erwähnt. Eine Einigungsgebühr wäre nur angefallen, wenn es über den Vertragsentwurf im Nachhinein zwischen den Ehegatten Streit gegeben und die Klägerin an dessen Beilegung mitgewirkt hätte.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Klägerin stehe die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV nicht zu.
1. Gem. Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV entsteht die Einigungsgebühr als zusätzliche Gebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
a) Die Einigungsgebühr soll die frühere Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO ersetzen und gleichzeitig inhaltlich erweitern. Während die Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO durch Verweisung auf § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben vorausgesetzt hat, soll die Einigungsgebühr jegliche vertragliche Beilegung eines Streits der Parteien honorieren. Durch den Wegfall der Voraussetzung des gegenseitigen Nachgebens soll insbesondere der in der Vergangenheit häufige Streit darüber vermieden werden, welche Abrede noch und welche nicht mehr als gegenseitiges Nachgeben zu bewerten ist (vgl. Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, BT-Drucks 15/1971, S. 147 und 204). Unter der Geltung des RVG kommt es deswegen nicht mehr auf einen Vergleich i.S.v. § 779 BGB, sondern nur noch auf eine Einigung an (BGH, Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05, MDR 2007, 492 [= AGS 2007, 57]; Beschl. v. 17.9.2008 – IV ZB 17/08 [= AGS 2009, 21]). Durch die zusätzliche Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwalts vergütet werden, durch die zudem die Belastung der Gerichte gemindert wird (BGH, Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05).
b) Nach dem zweiten Hs. der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV reicht allerdings die bloße Annahme eines einseitigen Verzichts oder ein Anerkenntnis für die Entstehung der Einigungsgebühr nicht aus (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 – VIII ZB 29/05 [= AGS 2006, 403], MDR 2006, 1375; Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05 [= AGS 2007, 57). Hieraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Abschluss eines sich wechselseitig auf ein Anerkenntnis und einen Verzicht beschränkenden Vertrags grundsätzlich eine Einigungsgebühr nicht entsteht. Selbst ein Vergleich, in welchem der Schuldner den Ausgleich eines Teils der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung zusagt und der Gläubiger den weitergehenden Anspruch fallen lässt, ist nichts anderes als eine Kombination von Anerkenntnis und Verzicht. Die Einigungsgebühr gelangt daher nur dann nicht zur Entstehung, wenn der von den Beteiligten geschlossene Vertrag ausschließlich das Anerkenntnis der gesamten Forderung durch den Schuldner oder den Verzicht des Gläubigers auf den gesamten Anspruch zum Inhalt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 28.3.2006 – VIII ZB 29/05; Urt. v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05).
Vorliegend handelt es sich um wechselseitige Verzichtserklärungen der Vertragsparteien auf Zugewinnausgleich und nacheheliche Unterhaltsansprüche, so dass der Ausnahmetatbestand des zweiten Halbsatzes der Anm. Abs. 1 zu Nr. 1000 VV nicht eingreift. Bei einem gegenseitigen Verzicht auf Unterhalt liegt eine Einigung vor. Dies gilt selbst dann, wenn vorher nicht gegenseitige Unterhaltsansprüche geltend gemacht wurden, weil jedenfalls, was die zukünftigen Ansprüche angeht, eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis i.S.d. Nr. 1000 VV beseitigt wird (OLG Koblenz NJW 2006, 850 f.; OLG Frankfurt/M. FamRZ 2007, 843 [= AGS 2008, 75]; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., VV 1000 Rn 182 f.).
Dass im vorliegenden Fall eine Ungewissheit bestanden hat, die durch die Tätigkeit der Klägerin beseitigt wurde, wird durch den unstreitigen Umstand belegt, dass die Beklagte sich an die Klägerin gewandt hat, weil sie befürchtete, von der Gegenseite "über den Tisch gezogen zu werden".
c) Nach einhelliger Ansicht in Rspr. und Schrifttum bedeutet Mitwirkung i.S.d. Nr. 1000 VV, dass der Anwalt eine auf das Zustandekommen der Einigung gerichtete Tätigkeit vorn...