Eines ist sicher: Wer sich mit anwaltlichem Vergütungsrecht beschäftigt bzw. beschäftigen muss, kommt heutzutage am "Schneider" nicht mehr vorbei. Hier wird inzwischen das volle Programm geboten. Vom höchst hilfreichen Streitwert-Kommentar (Schneider/Herget) über "Schneiders Gebührentabellen" im Beck-Verlag und die schon in der 2. Auflage erschienenen "Fälle und Lösungen zum RVG" bis hin zum AnwaltKommentar Schneider/Wolf deckt dieser findige Kreativdirektor des anwaltlichen Gebührenrechts alles ab, was man in der täglichen Praxis so benötigt. Es gibt kein Problem, das nicht an irgendeiner Stelle in seinen Werken aufzufinden wäre, und selbst Probleme, von denen man glaubte, dass es sie gar nicht gäbe, werden einer überzeugenden, jedenfalls nachvollziehbaren Lösung zugeführt.
Die bundesweite Tätigkeit des Autors als Dozent für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsfachangestellte konfrontiert Norbert Schneider ganz offensichtlich immer wieder mit interessanten, manchmal aber auch abwegigen Problemstellungen bei der Abrechnung von anwaltlichen Gebühren. Wer sich dann verzweifelt von Kommentar zu Kommentar hangelt, findet spätestens in einem der Werke von Schneider eine rechnerische Lösung. Dass derartige Aktivitäten nicht immer beglückende Ergebnisse hervorrufen – der Autor möge mir diese kritische Anmerkung nachsehen –, belegen die berühmt-berüchtigten Entscheidungen des BGH zur Anrechnung der Geschäftsgebühr vom 7.3.2007 und 22.8.2008, die zwischenzeitlich selbst bei Prozesskostenhilfemandaten zu verheerenden Auswirkungen geführt haben. Wie dem auch sei, es lohnt sich stets, zu einem "Schneider" zu greifen, wenn die Sache "kitzelig" wird.
Das nunmehr bei Nomos erschienene Buch wendet sich – wie es im Vorwort heißt – "an junge Rechtsanwälte, Rechtsreferendare, Rechtsanwaltsfachangestellte und Auszubildende, um das praktische Grundlagenwissen zu vermitteln". Schneider wäre nicht Schneider (s.o.), wenn er es bei diesem Anspruch beließe. Obgleich das handliche Buch ohne Gebührentabellen und Stichwortverzeichnis gerade einmal knapp 380 – wenn auch eng gedruckte – Seiten umfasst, findet sich hier alles, was der Praktiker tagtäglich benötigt, übrigens auch der Praktiker, der über eine langjährige Erfahrung verfügt oder sich einer langjährigen Erfahrung rühmt. Die Praxis belegt immer wieder, dass gerade Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsfachangestellte mit langjähriger Berufserfahrung spätestens seit Einführung des RVG mannigfaltiger Hilfestellung bedürfen, wollten sie nicht in Gebührenfallen laufen, die darin bestehen können, dass man zu wenig oder – manchmal sogar strafrechtlich relevant – zu viel abrechnet. Die manchmal geäußerte Kritik, die Literatur auf dem Gebiete des anwaltlichen Gebührenrechts nehme zu sehr zu, ist ungerechtfertigt und verkennt die Situation auf dem Markt.
Der neueste "Schneider" zeichnet sich – wie stets – durch ein sorgfältig erstelltes Stichwortverzeichnis aus, das Hilfe bietet, wenn man eher entlegene Rechtsfragen zu klären hat. Aber auch der Gesamtaufbau des Buches hilft für den schnellen Überblick, sind die Gebühren doch in einzelne Tätigkeitsbereiche des Anwalts in der täglichen Praxis aufgeteilt. Von der Vertretung im Bußgeldverfahren über die Vertretung in steuerrechtlichen und sozialrechtlichen Angelegenheiten geht es bis hin zur Zwangsvollstreckung, und überall findet man die relevanten Vergütungstatbestände – wie bei Schneider üblich – angereichert mit eingängigen Berechnungsbeispielen. Die typischen neuralgischen Punkte (vgl. etwa die unterschiedliche Fallgestaltung beim sog. Mehrvergleich, S. 148 ff.) werden prägnant und verständlich ebenso abgehandelt wie die Frage, wann man von einer oder von mehreren Angelegenheiten sprechen muss (vgl. S. 84 ff.). Wichtige Hinweise erhält der Kanzleibetreiber auch zur abzurechnenden Umsatzsteuer (vgl. S. 115 f.). Und das alles wird abgerundet durch zahlreiche Fußnoten, die weiterführende Literatur und Rechtsprechung enthalten. Selbst zum neu geregelten Erfolgshonorar finden sich erste Musterformulierungen (vgl. S. 58 ff.). Für 28,00 EUR erhält man hier ein Werk, das weit mehr bietet als eine Einführung und den Nutzer in jeder Hinsicht fit für das Gebührenrecht macht.
Uneingeschränkt zu empfehlen.