Die Entscheidung des OLG Schleswig ist die erste jüngere Entscheidung, die in ihrer Begründung den dogmatischen Kern des Meinungsstreites der einkommensabhängigen Gegenstandswertbestimmung in Ehesachen erfasst und zutreffend nicht zwischen Erwerbseinkommen und Sozialleistungen differenziert. Dies entspricht derzeit noch immer dem § 48 Abs. 3 GKG, der auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Parteien abstellt, ohne zwischen bestimmten Einkommensarten zu unterscheiden.
Hätte der Gesetzgeber bei der Streitwertbemessung Einkommensquellen unberücksichtigt wissen wollen, die eher Ausdruck der Bedürftigkeit einer Partei sind als ein Hinweis auf deren Leistungsfähigkeit, hätte er dies leicht zum Ausdruck bringen und den Meinungsstreit spätestens mit dem Inkrafttreten des FamGKG zum 1.9.2009 beenden können. Dies hat er aber – offenbar aus gutem Grund – nicht getan, kann ihm doch die jahrzehntelange Diskussion um die Berücksichtigung bestimmter Einkommensgruppen bei der Streitwertbestimmung wahrlich nicht entgangen sein.
Soweit die überwiegende Ansicht damit begründet wird, Arbeitslosengeld II werde nur für den Fall der Bedürftigkeit gewährt und Anspruchsvoraussetzung sei nicht die Erwerbstätigkeit, sondern nur die Erwerbsfähigkeit, ist entgegenzuhalten, dass die Bedürftigkeit begrifflich dem materiellen Unterhaltsrecht zuzuordnen ist und mit dem klaren Wortlaut des § 48 Abs. 3 S. 1 GKG nichts zu tun hat. Das SGB II selbst definiert das Netteinkommen in § 11 Abs. 1 ohne Einschränkung als Einnahme in Geld oder Geldeswert, wobei nach Abs. 2 lediglich Pflichtbeiträge und Steuern abzuziehen sind.
Hätten Bedürftigkeitsgesichtspunkte bei der Streitwertbemessung in Ehesachen eine Rolle spielen sollen, müssten konsequenterweise auch geringfügige Einkommen nicht mehr berücksichtigt werden, da auch diese Ausdruck der Bedürftigkeit und nicht bedarfsdeckend sind. Logisch wäre dann auch beispielsweise, wenn regelmäßig ein etwa der Grundsicherung entsprechender Einkommensanteil streitwertmäßig außen vor bliebe. Warum sollte ein Erwerbseinkommen von beispielsweise 700,00 EUR voll streitwerterhöhend berücksichtigt werden müssen, während ALG II mit etwa 700,00 EUR keinen solchen Einfluss haben darf?
Die weitere Argumentation der Gegenauffassung, der Mindeststreitwert in Höhe von 2.000,00 EUR laufe leer, wird durch die Begründung des OLG Schleswig schließlich mit dem zutreffenden Hinweis, der bereits 1975 eingeführte Mindeststreitwert entbehre jeglicher Aktualität, entkräftet. Leider hat der Gesetzgeber dies nicht zum Anlass genommen, denselben mit dem Inkrafttreten des FamGKG zum 1.9.2009 dem aktuellen Lebenshaltungskostenindex anzupassen, was längst überfällig ist.
Der Erwähnung bedarf auch die Tatsache, dass der Verfahrenswert in Ehesachen nicht nur nach dem Einkommen, sondern auch nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessen ist. Werden Leistungen nach dem SGB II vereinnahmt, ist nicht zwingend, aber häufig auch die kognitive Leistungsfähigkeit der Parteien eingeschränkt, so dass sich die anwaltliche Tätigkeit durchaus sehr viel umfangreicher gestaltet als in Verfahren, denen ein Streitwert aus beiderseitigem durchschnittlichen Erwerbseinkommen zugrunde gelegt werden kann.
Rechtsanwältin und FAFamR Lotte Thiel, Koblenz