RVG VV Nr. 6101 VV; IRG § 28
Leitsatz
Dem im Auslieferungsverfahren nach § 40 Abs. 2 IRG bestellten Beistand steht für die Teilnahme an der Anhörung des Verfolgten (§ 28 IRG) keine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV zu. Die Anhörung stellt keine Verhandlung i.S.d. Nr. 6101 VV dar. Dies gilt auch für den Fall, dass der Beistand im Termin Einwendungen gegen die Auslieferung vorträgt.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 1.10.2009–1 (3) Ausl. 1110/09
Sachverhalt
Der Senat hatte gegen den Verfolgten Auslieferungshaft zum Zwecke der Auslieferung an die Republik F. zur dortigen Strafverfolgung angeordnet. Rechtsanwalt S. war ihm zuvor als Beistand bestellt worden. Er nahm an der gem. § 28 IRG durchgeführten Anhörung des Verfolgten vor dem Ermittlungsrichter des AG teil. Er erhob namens des Verfolgten Einwendungen gegen die Auslieferung.
Später beantragte der Beistand die Festsetzung der entstandenen Gebühren und Auslagen. Dabei machte er insbesondere eine Verfahrensgebühr nach Nr. 6100 VV und eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV geltend.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des OLG hat die geltend gemachte Terminsgebühr von der an den Rechtsanwalt zu zahlenden Vergütung abgesetzt. Dagegen wendet sich seine Erinnerung. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
Die Erinnerung hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen
Entgegen der Ansicht des Beistands fand vor dem AG keine Verhandlung i.S.v. Nr. 6101 VV statt. Der Termin diente der Eröffnung des Auslieferungshaftbefehls und der Entgegennahme eventueller Erklärungen des Verfolgten zu gerichtlichem Protokoll. Die Gebühr gem. Nr. 6101 VV ist jedoch eine Terminsgebühr, die "je nach Verhandlungstag" entsteht. Darunter ist die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem OLG gem. §§ 30 Abs. 3, 31, 33 Abs. 3 IRG zu verstehen.
Der Senat schließt sich hierzu auch weiterhin der in Rspr. und Lit. ganz überwiegend vertretenen Ansicht an (KG AGS 2008, 130; OLG Dresden StraFo 2007, 176 [= AGS 2007, 355]; OLG Hamburg AGS 2006, 290; OLG Hamm StraFo 2006, 259 [=AGS 2006, 343]; Gerold/Schmidt/Madert, RVG, VV 6100–6101 Rn 17 f.; Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl. zu VV Teil 6 Rn 11; und so bereits OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.3.2007–3 Ausl.167/06 u. Beschl. v. 28.9.2007–3 Ausl. 55/07 [= AGS 2008, 34]). Die in der Kommentarlit. abweichend vertretene Ansicht, nach der auch Termine nach § 28 IRG unter den Gebührentatbestand der Nr. 6101 VV fallen (Schneider, in: AnwK-RVG, Rn 21 zu VV 6100–6101; Hartmann, Rn 7 zu VV 6100, 6101; Volpert, in: Burhoff, RVG, 2. Aufl., Rn 7 zu Nr. 6101 VV) lässt nicht nur den Wortlaut dieser Vorschrift außer Acht, sondern auch den Umstand, dass dem Richter beim AG nur beschränkte Entscheidungskompetenzen zukommen. In erster Linie hat er den Verfolgten über seine Rechte und den Ablauf des Verfahrens zu belehren und dessen Erklärungen zu Protokoll zu nehmen. Er kann den ihm Vorgeführten freilassen, wenn er mit der gesuchten Person nicht identisch ist (vgl. §§ 21 Abs. 3, 22 Abs. 3 IRG); selbst bei begründeten Bedenken gegen einen Auslieferungshaftbefehl oder dessen Vollzug hat er aber die Entscheidung des OLG herbeizuführen (§ 21 Abs. 5 IRG). Der Richter beim AG entscheidet auch nicht über Fragen der Zulässigkeit der Auslieferung. Mit Einwendungen des Verfolgten kann er sich nicht, wie es dem Wesen einer Verhandlung entspricht, argumentativ auseinandersetzen, vielmehr darf er diese lediglich zu Protokoll nehmen. Gegenüber einer Verhandlung nach § 30 Abs. 3 IRG ist damit der Aufwand des Beistands bei der Wahrnehmung des Termins – auch wenn er Einwendungen für den Verfolgten vorträgt – deutlich geringer und die Versagung einer Terminsgebühr nicht unbillig.