Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfallen der Terminsgebühr bei Teilnahme des anwaltlichen Beistandes an der Anhörung des Verfolgten vor dem Ermittlungsrichter
Leitsatz (amtlich)
›Die Teilnahme des im Auslieferungsverfahren bestellten anwaltlichen Beistandes an der Anhörung des Verfolgten vor dem Ermittlungsrichter gem. § 28 IRG löst die Gebühr Nr. 6101 VV RVG nicht aus.‹
Gründe
I. Der Senat hatte gegen den Verfolgten am 11. Mai 2007 aufgrund eines europäischen Haftbefehls die Auslieferungshaft zum Zwecke der Auslieferung an die Republik Lettland angeordnet. In dem Auslieferungsverfahren war dem Verfolgten durch Beschluss der Senatsvorsitzenden vom 14. Mai 2007 Rechtsanwalt F... gemäß § 40 Abs. 2 IRG als Pflichtbeistand bestellt worden. Der Rechtsanwalt hat am 3. Mai 2007 an der gemäß § 28 IRG durchgeführten Anhörung des Verfolgten vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Wittlich teilgenommen. In dieser Anhörung erklärte sich der Verfolgte mit einer Auslieferung an die Republik Lettland nicht einverstanden.
Am 10. Januar 2008 beantragte Rechtsanwalt F... die Festsetzung der entstandenen Gebühren und Auslagen. Er berechnete seinen Kostenerstattungsanspruch wie folgt:
- Verfahrensgebühr für Verfahren nach dem Gesetz über
die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Nr. 6100 VV RVG 264,00 EUR
- Terminsgebühr im Verfahren nach dem Gesetz über die
internationale Rechtshilfe in Strafsachen Nr. 6101 VV RVG 356,00 EUR
- Fahrtkosten für die Wahrnehmung von 3 Terminen Nr. 7003 VV RVG 167,40 EUR
- Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung von 3 Terminen
Nr. 7005 Nr. 1 VVRVG 60,00 EUR
Zwischensumme der Gebührenpositionen 847,40 EUR
- Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
- Dokumentenpauschale für Ablichtungen Nr. 7000 VV RVG 31,75 EUR
Zwischensumme netto 899,15 EUR
- 16 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 170,84 EUR
Gesamtbetrag 1069,99 EUR.
Am 18. Januar 2008 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Koblenz die geltend gemachte Terminsgebühr abgesetzt und demgemäß den Erstattungsanspruch des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung der entsprechend geringeren Umsatzsteuer auf 646,35 EUR festgesetzt.
Dagegen richtet sich die als Erinnerung zu behandelnde sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts mit der er unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena vom 14. Mai 2007 (1Ws 122/07) geltend macht, dass mit seiner Anwesenheit während der Vernehmung nach § 28 IRG die Terminsgebühr entstanden sei.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthafte und auch sonst zulässige Erinnerung des Rechtsanwalts F..., über die nach § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 RVG der Einzelrichter des Senats zu entscheiden hat, ist unbegründet.
Der Rechtsanwalt kann für die Teilnahme an der Anhörung vor dem Ermittlungsrichter am 3. Mai 2007 keine Gebühr gemäß Nr. 6101 VV RVG beanspruchen. Die Gebühr gemäß Nr. 6101 VV RVG ist eine Terminsgebühr, die "je Verhandlungstag" entsteht. Darunter ist die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht gemäß §§ 30 Abs. 3, 31 IRG (mündliche Verhandlung vor Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung) zu verstehen (OLG Bremen AGS 2005, 443; OLG Hamburg AGS 2006, 290; OLG Hamm StraFo 2006, 259; OLG Dresden, Rechtspfleger 2007, 341; Senatsentscheidung vom 9.7.2007, (1) Ausl. -III- 60/06; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl., VV 6101 Rdn 8; Madert in Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., VV 6100 - 6101 Rdn 7, 15; Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, 9. Aufl., VV Teil 6 Rdn 11; Bischof/Jungbauer, RVG, VV 6100 - 6101, Rdn 8; a. A. nur OLG Jena, Beschluss vom 14.5.2007, 1 Ws 122/07 in juris; Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 3. Aufl., VV 6100, 6101 Rdn 20, 21).
Die Teilnahme des Beistandes an der Anhörung gemäß § 28 IRG reicht demgegenüber nicht zur Erfüllung des Gebührentatbestandes der Nr. 6101 VV RVG aus. Die Anhörung in einem Auslieferungsverfahren gemäß § 28 IRG ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der anhörende Richter verschiedenen Belehrungspflichten nachzukommen hat (§§ 28 Abs. 2 Satz 2, 41 Abs. 4, 79 Abs. 2 Satz 4 IRG). Nach diesen Belehrungen gibt der Verfolgte Erklärungen ab, die wegen ihrer Unwiderruflichkeit weit reichende Rechtsfolgen haben können. Gleichwohl wird in dem Anhörungstermin nicht verhandelt (OLG Dresden aaO.). Der Gegenansicht, die meint, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 6101 VV RVG falle bei jeder Art von gerichtlichen Terminen an, ist daher nicht zu folgen.
Die Erinnerung war deshalb zurückzuweisen. Eine Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG nicht veranlasst.
Fundstellen