GewSchG §§ 1, 2; FamFG §§ 76, 214; ZPO § 114
Leitsatz
Verfahrenskostenhilfe kann einem Antragsteller im Hauptsacheverfahren nach §§ 1, 2 GewSchG nicht schon deshalb verweigert werden, weil er gleichzeitig ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet hat. Dies ist nicht mutwillig i.S.d. § 76 FamFG, § 114 ZPO.
OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.2009–10 WF 274/09
Sachverhalt
Die Parteien sind miteinander verheiratet und Eltern eines gemeinsamen Kindes. Derzeit erwartet die Antragstellerin von dem Antragsgegner ein weiteres Kind.
Bereits in der Vergangenheit kam es wiederholt vor, dass der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin gewalttätig wurde. Am 18.9.2009 kam es zwischen den Parteien zu einer erneuten Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Antragsgegner im alkoholisierten Zustand die Antragstellerin mit beiden Händen am Hals würgte, mit der Faust auf ihre Arme, Beine und ihren Rücken einschlug und die Antragstellerin schließlich im Schlafzimmer der gemeinsamen Ehewohnung einschloss. Der Antragsgegner wurde deswegen von der herbeigerufenen Polizei für die Dauer von zehn Tagen der Wohnung verwiesen.
Mit Schriftsatz v. 21.10.2009 beantragte die Antragstellerin beim FamG, im Wege der einstweiligen Anordnung dem Antragsgegner aufzugeben, die gemeinsame Wohnung zu räumen und ihr für die Dauer von drei Monaten zur alleinigen Nutzung zu überlassen sowie es bei Vermeidung von Ordnungsmitteln für die Dauer von drei Monaten zu unterlassen, die gemeinsame Wohnung zu betreten und sich in einem Umkreis von 500 m von der Wohnung aufzuhalten.
Mit weiterem Schriftsatz vom gleichen Tage stellte die Antragstellerin gleichlautende Anträge zum Hauptsacheverfahren, jedoch ohne die Befristung auf drei Monate, und beantragte hierfür die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Das FamG hat im einstweiligen Anordnungsverfahren die von der Antragstellerin begehrte einstweilige Anordnung antragsgemäß erlassen. Den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin für das Hauptsacheverfahren hat es dagegen mit der Begründung zurückgewiesen, dass neben der erlassenen einstweiligen Anordnung für die gleichzeitige Beantragung eines Hauptsacheverfahrens kein Raum sei, da die einstweilige Anordnung auch eine dauerhafte Entscheidung sein könne, wenn der Antragsgegner nicht das Hauptsacheverfahren einleite. Dass die Antragstellerin im Gegensatz zum einstweiligen Anordnungsverfahren im Hauptsacheverfahren eine unbefristete Zuweisung beantragt habe, rechtfertige keine anderweitige Beurteilung. Eine Partei, die die Verfahrenskosten selbst tragen müsste, würde nur einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, der das FamG nicht abgeholfen hat.
Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Aus den Gründen
Das AG hat den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragstellerin zu Unrecht mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine Partei, die die Verfahrenskosten allein tragen müsste, sich auf die Beantragung einer einstweiligen Anordnung beschränkt hätte.
Mit seiner für die Verfahrenskostenhilfeverweigerung angeführten Begründung wirft das AG der Antragstellerin in der Sache vor, dass die von ihr mit dem Hauptsacheverfahren beabsichtigte Rechtsverfolgung neben dem einstweiligen Anordnungsverfahren i.S.d. § 76 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO mutwillig sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
Zwar ist in Rspr. und Lit. anerkannt, dass die vom Prozesskostenhilfebedürftigen beabsichtigte Rechtsverfolgung dann i.S.d. § 114 S. 1 ZPO mutwillig ist, wenn er den mit ihr angestrebten Erfolg in gleichem Umfang auch auf andere, kostengünstigere Weise erreichen kann oder hätte erreichen können (Zöller/Philippi, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 114 Rn 34 m. w. Nachw.).
Insoweit kann vorliegend dahinstehen, ob sich nach der seit dem 1.9.2009 geltenden Neuregelung des einstweiligen Anordnungsverfahrens für den Antragsteller in bestimmten Fällen mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eine gleichermaßen weitreichende Regelung erreichen lässt wie in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren. Für die hier in Rede stehende einstweilige Anordnung nach § 214 FamFG i.V.m. §§ 1 und 2 GewSchG ist dies jedenfalls nicht der Fall.
Denn bereits nach dem gesetzlichen Wortlaut des § 214 Abs. 1 FamFG kann das FamG auf Antrag eines Ehegatten durch einstweilige Anordnung nur eine "vorläufige" Regelung nach §§ 1 oder 2 GewSchG treffen, sofern ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht. Von einer "vorläufigen" Regelung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn diese von ihrem Regelungsgehalt her hinter der im Hauptsacheverfahren möglichen Regelung zurückbleibt.
Bei der vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 214 FamFG vorgenommenen Beschränkung der einstweiligen Anordnung auf eine bloß vorläufige Regelung handelt es sich lediglich um den Ausfluss des auch in Ansehung der Neuregelung des § 51 Abs. 3 FamFG weiterhin geltenden Grundsatz...