Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob Verfahrenskostenhilfe für ein Hauptsacheverfahren zu bewilligen ist, wenn zuvor bereits eine einstweilige Anordnung erlassen wurde.
Sachverhalt
Die Antragstellerin hatte beim AG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem GewSchG gestellt. Antragsgemäß war ihr mit Beschluss vom 21.12.2001 die Ehewohnung befristet bis zum 30.4.2012 zugesprochen sowie ein Kontaktverbot befristet bis zum 20.6.2012 ausgesprochen worden.
Nach Erlass der einstweiligen Anordnung begehrte die Antragstellerin Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens nach dem GewSchG mit inhaltsgleichen Anträgen.
Das AG hat den VKH-Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass effektiver Rechtsschutz hier bereits durch den Beschluss vom 21.12.2011 im Verfahren der einstweiligen Anordnung erreicht worden sei und eine bemittelte Partei zunächst abwarten würde, bevor ein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht würde. Der Hauptsacheantrag sei daher zum jetzigen Zeitpunkt mutwillig.
Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin. Das Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG hielt die Beschwerde für begründet und wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die hier zu klärende Frage, ob Verfahrenskostenhilfe für ein Hauptsacheverfahren nach dem GewSchG wegen Mutwilligkeit nach vorherigem Erlass einer einstweiligen Anordnung verweigert werden könne, in der Rechtsprechung umstritten sei.
Einerseits werde die Auffassung vertreten, dass, falls antragsgemäß die Gewaltschutzsache durch einstweilige Anordnung entschieden worden sei, für einen zeitgleich eingereichten Hauptsacheantrag, der auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet sei, Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit nicht zu bewilligen sei (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.11.2009 - 2 F 215/09, NJW 210, 540; OLG Celle, FamRZ 2010, 1586).
Andererseits werde auch die Meinung vertreten, dass Verfahrenskostenhilfe im Hauptsacheverfahren nach §§ 1, 2 GewSchG nicht schon deshalb verweigert werden könne, weil gleichzeitig ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingeleitet worden sei (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.2009 - 10 WF 274/09).
Das OLG München schloss sich der zuletzt genannten Auffassung an und hat dies damit begründet, dass grundsätzlich in allen Familiensachen i.S.v. § 111 FamFG Verfahren sowohl im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als auch im Hauptsacheverfahren parallel geltend gemacht werden könnten, weil im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes lediglich eine summarische Prüfung des Sachverhalts erfolge und insbesondere keine materiell bindende Entscheidung getroffen werden könne. Entsprechend könne grundsätzlich keine Mutwilligkeit angenommen werden, wenn für beide Verfahren Verfahrenskostenhilfe beantragt werde.
Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Verfahren der einstweiligen Anordnung nach der Gesetzesbegründung ein entsprechendes Hauptsacheverfahren überflüssig machen solle. Entscheidend sei, ob für das Hauptsacheverfahren bei bereits erlassener einstweiliger Anordnung noch eine Notwendigkeit bestehe, im Erkenntnisverfahren zur Hauptsache eine bindende Entscheidung herbeizuführen.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 14.02.2012, 26 WF 128/12