In einer anderen Entscheidung hat sich der BGH zu den Voraussetzungen der Anrechnung der Geschäftsgebühr nach einem abgeschlossenen Prozessvergleich geäußert. Dabei wurde festgestellt, dass es einer Titulierung der Gesamtforderung nicht gleichsteht, wenn die Vereinbarung eine Regelung enthält, mit der die klageweise geltend gemachten Forderungen durch eine vergleichsweise vereinbarte Teilleistung abgegolten werden. Ein solcher Vergleich kann daher keinen Titel i.S.d. § 15a Abs. 2 Alt. 2 RVG darstellen. Hierzu bedarf es vielmehr einer betragsmäßigen Bezifferung der durch den Vergleich abgegoltenen Geschäftsgebühr, da eine konkrete Feststellung, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr anzurechnen ist, nur dann ermöglicht wird, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist. Mit dieser Entscheidung ist der BGH damit der inzwischen herrschenden Meinung der Rspr. gefolgt, die gleichfalls eine konkrete Bezifferung gefordert hatte.[14]

Festzuhalten bleibt damit, dass eine in dem Vergleich aufgenommene Regelung wie etwa "zur Abgeltung sämtlicher Klageforderungen" oder eine allgemeine Abgeltungsklausel, dass "mit der Zahlung alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten sind" als Titulierung i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG nicht genügt.

 
Praxis-Beispiel

In der Klageschrift wird beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 6.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2010 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 239,70 EUR zu zahlen.

Die Parteien schließen einen gerichtlichen Vergleich in dem es heißt: "Zur Abgeltung sämtlicher Klageforderungen zahlt der Beklagte 3.500,00 EUR."

Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr hat zu unterbleiben, weil eine Titulierung i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG nicht vorliegt. Festzusetzen ist daher (im Regelfall) eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV.

[14] So etwa: OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.8.2010 – 4 W 468/10, AGS 2010, 463; OLG Köln, Beschl. v. 9.6.2010, 17 W 86/10, AGS 2010, 462 = JurBüro 2010, 526 = Zfs 2010, 585 = Rpfleger 2011, 49 = NJW-Spezial 2010, 604 = RVGreport 2010, 346 (allgemeine Abgeltungsklausel, wonach mit Zahlung des Vergleichsbetrages alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien abgegolten sind, genügt nicht); OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.4.2010, AGS 2010, 209; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.2.2010 – 2 W 13/10, AGS 2010, 211 (ausdrückliche Formulierung zur Erstattung bzw. Teil- oder Nichterstattung oder Bezifferung der Höhe, in der die vorgerichtlichen Kosten als erfüllt anzusehen sind); a.A. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 4.1.2010 – 9 W 338/09, AGS 2010, 60; OLG Koblenz, Beschl. v. 24.8.2010 – 14 W 460/10, danach liegt ein Titel i.S.d. § 15a RVG auch vor, wenn zwar kein bezifferter oder bestimmbarer Einzelbetrag vereinbart ist, sich aber aus der Auslegung des Vergleichs ergibt, dass auch die Geschäftsgebühr umfassend abgegolten sein soll.

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