Einführung
Auch in der jüngsten Zeit hat der BGH zur Problematik der Anrechnung der Geschäftsgebühr zahlreiche Entscheidungen getroffen. Dabei hat er sich zumeist der überwiegenden Auffassungen der OLG-Rspr. zu § 15a RVG angeschlossen. Es wurde dabei zugleich ältere Rspr. aufgegeben und durch inzwischen mehrere Zivilsenate festgestellt, dass auch in den so genannten Altfällen eine Anrechnung nur unter den Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG zu erfolgen hat und in solchen Fällen zudem eine Nachfestsetzung in Betracht kommen kann. Im Übrigen wurden auch in Rspr. und Lit. bestehende Streitfragen, etwa zur Anrechnung bei Abschluss von Prozessvergleichen oder den Fällen der Doppelanrechnung, geklärt.
I. Aufgabe älterer BGH-Rechtsprechung
1. Anrechnung nur in den Fällen des § 15a RVG
Der BGH hat zunächst in mehreren Entscheidungen seine bisherige Rspr. zur Anrechnung der Geschäftsgebühr aufgegeben. Nach dieser älteren Auffassung war die Anrechnung unabhängig von einer Geltendmachung, Titulierung oder Zahlung durchzuführen, wenn nur eine Geschäftsgebühr entstanden war. In seinen jüngeren Entscheidungen hat sich der BGH jedoch nunmehr ausdrücklich der Auffassung angeschlossen, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nur noch dann zu erfolgen hat, wenn auch die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG erfüllt sind. Zu ihnen gehören im Einzelnen:
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die Erfüllung des Anspruchs auf eine der beiden Gebühren, |
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die Titulierung der Geschäftsgebühr, |
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die Geltendmachung beider Gebühren in demselben Verfahren. |
Die Anrechnung ist nicht von Amts wegen zu berücksichtigen, sondern nur dann, wenn sich der Erstattungspflichtige darauf beruft. Lediglich bei einer teilweisen Titulierung der Geschäftsgebühr, etwa durch Urteil, Beschlüssen als Endentscheidung oder Vergleichen, soll die Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren auch ohne ausdrückliche Berufung darauf zu berücksichtigen sein, um eine doppelte Titulierung zu vermeiden.
2. Altfälle
In mehreren Entscheidungen hat nunmehr auch der BGH festgestellt, dass die Regelung des § 15a RVG nur der Klarstellung der Rechtslage dient und keine Gesetzesänderung darstellt. Daraus folgt, dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auch in solchen Fällen, in denen die Auftragserteilung vor dem 5.8.2009, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 15a RVG, nur dann zu erfolgen hat, wenn ein oder mehrere Anrechnungstatbestände des § 15a Abs. 2 RVG erfüllt sind. Zudem ist hier auch die Möglichkeit der Nachfestsetzung gegeben (vgl. II).
II. Nachfestsetzung der Geschäftsgebühr in Altfällen
1. Fehlen einer rechtskräftigen Entscheidung
Wurde in dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsverfahren nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht, kann im Rahmen der Nachfestsetzung der nicht geltend gemachte Teil dieser Verfahrensgebühr beantragt und festgesetzt werden.
Zu beachten ist bei der Nachfestsetzung jedoch, dass auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse sowohl in formeller als auch materieller Rechtskraft erwachsen können, so dass keine erneute Entscheidung über denselben Streitgegenstand (Erstattungsanspruch) ergehen darf. Kostenfestsetzungsbeschlüsse können jedoch nur hinsichtlich zu- oder aberkannter Kosten formell und materiell rechtskräftig werden. Die Rechtskraft steht daher einem Antrag auf Nachfestsetzung dann nicht entgegen, wenn mit diesem Antrag ein bisher nicht geltend gemachter Posten erstmals zur Festsetzung angemeldet wird. Hierzu gehören auch die Fälle, in denen zunächst nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr geltend gemachte Verfahrensgebühr beantragt wurde. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der rechtskräftige Kostenfestsetzungsbeschluss über die Verfahrensgebühr als solche entschieden habe, weil sich diese Entscheidung nicht auf den Anspruch als solchen, sondern sich nur auf den geltend gemachten Umfang bezieht. Schließlich kann die Nachfestsetzung auch nicht mit Hinblick auf ältere Rspr. des BGH, wonach die Regelung des § 15a RVG eine Gesetzesänderung darstelle und deshalb bis zum Inkrafttreten dieser Regelung überhaupt kein Anspruch auf eine höhere Verfahrensgebühr bestanden habe, verwehrt werden, weil durch die jüngere Rspr. des BGH (vgl. I Nr. 2) festgestellt wurde, dass mit der Einführung des § 15a RVG lediglich eine Klarstellung erfolgt sei, so dass der Anspruch auf eine höhere Verfahrensgebühr auch vor Inkrafttreten des § 15a RVG bestanden hat.