Einführung
Die Beschaffung von Waren, Bau- und Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber hat – soweit bestimmte Schwellenwerte überschritten werden – im Rahmen eines Vergabeverfahrens nach §§ 97 ff. GWB zu erfolgen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge nach diesen Vorschriften unterliegt im sog. Nachprüfungsverfahren der Überprüfung durch die Vergabekammern (§§ 102 ff. GWB). Gegen Entscheidungen der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde (§ 116 GWB) gegeben, die von den Oberlandesgerichten entschieden wird (§§ 93, 95 GWB).
I. Gebühren im Vergabe- und Nachprüfungsverfahren
1. Anwaltsgebühren
a) Allgemeines
Vertritt der Anwalt einen Bieter oder einen sonstigen Beteiligten im Vergabeverfahren, handelt es sich um eine außergerichtliche Tätigkeit, für die die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV abgerechnet werden kann. Gleiches gilt, wenn der Anwalt im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer tätig wird. Auch hier fällt die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV an.
b) Bestimmung der Geschäftsgebühr
Die Geschäftsgebühr ist im konkreten Einzelfall gem. § 14 Abs. 1 RVG aus dem Rahmen der Nr. 2300 VV (0,5 bis 2,5) zu bestimmen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 darf nur gefordert werden, wenn die Angelegenheit umfangreich oder schwierig war (Anm. zu Nr. 2300 VV). In vergaberechtlichen Angelegenheiten dürfte die Überschreitung der Schwellengebühr verhältnismäßig häufig vorkommen: Die Schwierigkeit einer Angelegenheit beurteilt sich nach einem objektiv-generellen Maßstab und berücksichtigt die Intensität der Arbeit des Anwalts. Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Sicht des Allgemeinanwalts. Schwierig ist eine Tätigkeit dann, wenn der Anwalt erheblich über dem Durchschnitt liegende Probleme zu lösen hat. Dabei kann es sich um Schwierigkeiten rechtlicher und tatsächlicher Art handeln. Entscheidend ist dabei, ob es sich allgemein um eine schwierige Materie handelt; es kommt nicht auf die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Anwalts an. Deshalb ist die Schwierigkeit auch dann bei Bestimmung der Geschäftsgebühr zu berücksichtigen, wenn es sich bei dem Anwalt um einen Spezialisten auf dem betreffenden Gebiet handelt, für den die Sache aufgrund seiner Spezialkompetenz weniger schwierig ist als für einen Allgemeinanwalt.
Bei einer Tätigkeit in Vergabesachen ist allgemein anerkannt, dass es sich um eine rechtlich schwierige Materie handelt, so dass die Kappungsgrenze von 1,3 regelmäßig keine Rolle spielt. Dies gilt auch für die anwaltliche Vertretung des Beigeladenen im Vergabenachprüfungsverfahren, und zwar auch dann, wenn der Beiladungsbeschluss erst kurz vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens ergangen ist.
Wie hoch der Schwierigkeitsgrad von vergaberechtlichen Streitigkeiten in der Rspr. eingestuft wird, zeigt sich u.a. in einer jüngeren Entscheidung des KG. Der Senat führt darin aus, dass für ein nach Inhalt, Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung durchschnittliches Vergabenachprüfungsverfahren "jedenfalls nicht mehr als 2,0 Gebühren" festzusetzen sind. Allein das Merkmal "Schwierigkeit der Tätigkeit" hat also eine Gebührenbestimmung in der Nähe der Höchstgebühr gerechtfertigt sein lassen.
c) Vorangegangene Tätigkeit im Vergabeverfahren
Umstritten war, welche Gebühr entsteht, wenn der Anwalt sowohl im Vergabe- als auch im Nachprüfungsverfahren tätig wird. Nach einer Meinung erhielt er auch bei einer Vorbefassung für die spätere Tätigkeit im Nachprüfungsverfahren die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Die Gegenmeinung billigte dem Anwalt lediglich eine Geschäftsgebühr aus dem reduzierten Rahmen von Nr. 2301 VV zu.
Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 23.9.2008 der zweiten Meinung angeschlossen. Er stützt seine Argumentation maßgeblich auf § 128 Abs. 4 S. 3 GWB, wonach sich die Kostenerstattung bei Anrufung der Vergabekammer nach § 80 VwVfG richte. Aus diesem Verweis folgert der BGH, dass angesichts der Gleichsetzung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren die speziellen Gebührenregelungen des Widerspruchsverfahrens auch für das Nachprüfungsverfahren gelten müssten. Dabei sei unerheblich, ob im Vergabeverfahren tatsächlich ein Verwaltungsakt ergehe, der im Nachprüfungsverfahren überprüft werde. Unerheblich sei ferner, ob dem Anwa...