Der neue Querschnittskommentar des Verlags zum Erbrecht bietet "Erbrecht aus einer Hand" für den Praktiker. 26 Autoren – erfahrene und renommierte Praktiker ihrer jeweiligen Fachgebiete – erläutern nicht nur die erbrechtlichen Vorschriften des BGB, sondern auch die erbrechtlichen Nebengesetze. Ein weiterer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Verfahrensrecht sowie dem Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht. Abgerundet wird die Darstellung durch Ausführungen zum anwaltlichen Vergütungsrecht.
Die Kommentierung enthält einerseits eine gelungene Verbindung zwischen wissenschaftlicher Auseinandersetzung als Plattform zur Fortentwicklung des Rechts und der Rspr.; andererseits gibt das Werk eine zuverlässige Orientierung für die tägliche Beratungspraxis.
Beispielsweise ist die Kommentierung von § 1924 BGB von Große-Boymann wissenschaftlich fundiert, gleichwohl von großem praktischem Nutzen. Denn es wird unter Berücksichtigung des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes erfreulicherweise und ausführlich auf die Gesetzesreform zur Änderung des Erbrechts derjenigen nichtehelichen Kinder hingewiesen, die vor dem 1.7.1949 geboren sind.
G. Müller kommentiert ausführlich die für die Praxis wichtige Entscheidung des BGH vom 28.4.2010 zur Bewertung von Lebensversicherungen zu § 2325 BGB, wonach es allein auf den Wert ankommt, den der Erblasser aus den Rechten seiner Lebensversicherung in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens nach objektiven Kriterien für sein Vermögen hätte umsetzen können, in der Regel also der Rückkaufwert gem. § 168 VVG.
Jeder, der sich mit erbrechtlichen Fragen beschäftigt, kommt nicht umhin, sich auch mit erbschaftssteuerrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Hilfreich ist insoweit die Kommentierung von Milatz zum Erbschaftssteuergesetz. In der Praxis bereitet § 14 ErbStG – die Berücksichtigung früherer Erwerbe bei der Bemessung der Steuer – Probleme. Mit der Erbschaftssteuerreform ist § 14 Abs. 1 S. 4 ErbStG neu eingeführt worden. Dieser bestimmt, dass die Steuer, die sich nach den geltenden Vorschriften für den Letzterwerb (ohne Zusammenrechnung mit dem Vorerwerb) ergibt, die Untergrenze der für diesen Erwerb festzusetzenden Steuer bildet. In diesem Zusammenhang erläutert Milatz anschaulich das Grundproblem der Regelung in § 14 ErbStG, nämlich die Ermittlung der fiktiven Steuer.
Einen sehr guten Überblick über das anwaltliche Vergütungsrecht bei der Bearbeitung erbrechtlicher Mandate erhält der Praktiker in dem von Schons bearbeiteten RVG-Teil. Zu Recht weist der Autor darauf hin, dass gerade im erbrechtlichen Mandat zahlreiche "Vergütungsfallen" lauern, die vertiefende Kenntnisse zum anwaltlichen Vergütungsrecht voraussetzen. Schons gibt zahlreiche Praxistipps und anschauliche, nachvollziehbare Abrechnungsbeispiele.
Beispielhaft erwähnt sei die Darstellung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV (S. 1232, Rn 201 ff.). Insbesondere in erbrechtlichen Mandaten kommt es häufig vor, dass der Anwalt mehrere Auftraggeber vertritt, so dass sich die Frage der Anwendung der Nr. 1008 VV stellt. Allzu häufig wird hier in der Praxis nicht berücksichtigt, dass die Erhöhung denselben Gegenstand voraussetzt, der in bestimmten Vertretungskonstellationen gegeben sein kann, in anderen aber nicht. In der Praxis ist leider zu beobachten, dass hier häufig überhaupt nicht differenziert wird und mit einer schon fast an bedingten Vorsatz grenzenden Ignoranz grundsätzlich immer eine Gebührenerhöhung angesetzt wird. Hier stellt Schons deutlich heraus, wie vorzugehen ist, wann der Anwalt wegen desselben Gegenstandes eine Erhöhung verlangen kann und wann es bei den einfachen Gebühren – dann aber mit Addition des Gegenstandswerts – verbleibt.
Sehr hilfreich sind auch die Ausführungen zur Höhe der Geschäftsgebühr in erbrechtlichen Mandaten. Hier dürfte die sog. Schwellengebühr statistisch nicht der Regelfall sein, sondern eine aufgrund Umfangs und Schwierigkeit deutlich über der Mittelgebühr angesiedelte Gebühr. Dazu ist es aber erforderlich, zu den Kriterien des § 14 RVG auch etwas vorzutragen. Hier gibt Schons (S. 1227 ff.) hervorragende Hilfestellung.
Abgeschlossen wird der RVG-Teil mit Ausführungen zur Vergütungsvereinbarung, von der in erbrechtlichen Angelegenheiten wegen der unzureichenden gesetzlichen Gebühren häufig Gebrauch gemacht wird, allerdings oftmals ohne Erfolg, weil viele Anwälte meinen, auch ohne Kenntnis des Gesetzes eine Vergütungsvereinbarung auf die Beine stellen zu können – ein Irrtum, der sich dann allzu häufig im Vergütungsprozess rächt.
Fazit: Es handelt sich um ein rundum gelungenes Werk, das dem erbrechtlichen Praktiker eine umfassende, rechtsübergreifende Arbeits- und Informationshilfe erster Güte auch zu sämtlichen Schnittstellen des Erbrechts bietet. Damit wird in den überwiegenden Fällen eine Recherche in Spezialkommentaren überflüssig.