Das LG hatte die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 5.015,02 EUR zzgl. Zinsen seit dem 20.11.2009 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Entstehung einer Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV festgestellt, da die Klägerin unstreitig an Vertragsverhandlungen i.S.v. Anm. Abs. 2 zu Nr. 1000 VV mitgewirkt habe. Eine fehlende Ursächlichkeit dieser Verhandlungen für die spätere Einigung habe die Beklagte nicht bewiesen.

Die darüber hinausgehend von der Klägerin beanspruchte Geschäftsgebühr sei allerdings nicht angefallen. Dies ergebe sich nicht aus einer Anrechnung, sondern daraus, dass die von der Klägerin entfaltete Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 RVG als zusammenhängende Tätigkeit einzustufen und damit nur einmal zu vergüten sei. Zu den zusammenhängenden Tätigkeiten gehörten auch Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungsarbeiten sowie außergerichtliche Verhandlungen. Da eine Geschäftsgebühr nicht angefallen sei, komme es nicht darauf an, ob diese mit dem Faktor 1,3 angemessen von der Klägerin angesetzt worden sei.

Die Klägerin wendet sich gegen dieses Urteil. Neben der Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV könne die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV entstehen, auch wenn es sich um eine einheitliche Tätigkeit handeln sollte. Eine Anrechnung hätte nur erfolgen können, wenn eine Anordnung im Gesetz gem. § 15a RVG erfolgt wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Auch mit der Einheitlichkeit der Tätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 RVG könne der Anfall der Geschäftsgebühr nicht ausgeschlossen werden. Die §§ 16 ff. RVG regelten lediglich, was eine einheitliche Angelegenheit darstelle. Demgegenüber bestimme § 15 Abs. 2 RVG, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit einmal fordern könne. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich damit, dass der Rechtsanwalt für eine Angelegenheit durchaus mehrere Gebühren verdienen könne.

Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vortrag fest, dass der von ihr abgerechnete Gebührenansatz mit 1,3 angemessen sei. Außerdem habe die Klägerin bei der Bemessung des Ansatzes ihr Ermessen ausgeübt. Dies sei der Beklagten in Gestalt der Rechnung auch mitgeteilt worden.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2 RVG gehörten u.a. außergerichtliche Verhandlungen zu einem Verfahren. Folglich würde die Führung der außergerichtlichen Verhandlungen das Entstehen der gesondert geltend gemachten Geschäftsgebühr ausschließen.

Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg. …

2. Auf die Berufung ist die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 5.152,30 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Gebühr ist entstanden und in der Höhe angemessen.

a) Der Klägerin steht die geltend gemachte Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit gem. Nr. 2300 VV dem Grunde nach zu. Die Geschäftsgebühr entsteht gem. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrages, wobei eine Angelegenheit vorliegen muss, die sich in keine der in anderen Abschnitten des Vergütungsverzeichnisses geregelten Gebührengruppen einordnen lässt. So liegt es hier. Die Klägerin hat ein Geschäft im vorstehenden Sinne für die Beklagte geführt. Zudem ergibt sich aus keinem anderen Abschnitt des RVG ein Gebührenanspruch der Klägerin für diese Tätigkeit.

Insbesondere schließt § 34 RVG die Anwendbarkeit von Nr. 2300 VV nicht aus. Zwar hat die Klägerin die Beklagte im Zusammenhang mit den Scheidungsfolgen beraten, doch liegt nicht lediglich ein Beratungsvertrag i.S.v. § 34 RVG vor. Insbesondere das Hervortreten eines Rechtsanwalts nach außen stellt ein sicheres Zeichen für eine Tätigkeit dar, die über die bloße Beratung i.S.v. § 34 RVG hinausgeht und Gebühren nach Nr. 2300 VV auslöst (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG 19. Aufl. 2010, § 34, Rn 14; zur Abgrenzung §§ 118 und 20 BRAGO: Schumann, MDR 1968, 891; OLG Nürnberg JurBüro 1973, 956 [958]). Da die Klägerin auch nach außen auftrat und in Verhandlungen mit dem Rechtsanwalt des vormaligen Ehemannes der Beklagten deren Interessen vertrat, war nicht lediglich eine Gebühr nach § 34 RVG abzurechnen.

Entgegen der Auffassung des LG ergibt sich auch aus § 19 Abs. 1 RVG nichts anderes. Diese Regelung bestimmt den Umfang der Tätigkeiten, die zu einem Rechtszug oder einem Verfahren gehören. Eine Aussage darüber, welche Gebühren bezüglich einer Angelegenheit angefallen sind, kann dieser Regelung jedoch nicht entnommen werden.

Liegt bezüglich des Scheidungsverfahrens und der Scheidungsfolgen kein einheitliches Verfahren vor, ist für jeden Gegenstand eigenständig zu bestimmen, welche Gebühren angefallen sind. In Familiensachen ist zwar gem. § 16 Nr. 4 RVG eine einheitliche Angelegenheit in Bezug auf die Scheidungssache und die Folgesachen grundsätzlich anzunehmen. Dies gilt allerdings nicht, wenn ein Teil der Familiensachen gerichtlich und ein anderer Teil außergerichtlich geregelt werden soll und der Rechtsanwalt gleichzeitig in beiden Angelegenheiten tätig ...

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