Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr neben Geschäftsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Die Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 RVG-VV entsteht neben den in anderen Teilen des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren und damit gegebenenfalls auch neben der Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 RVG-VV.

 

Normenkette

RVG § 19 Abs. 1; RVG-VV Nrn. 1000, 2300

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen 2 O 334/09)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des am 28.4.2010 verkündeten Urteils des LG Lübeck, Aktenzeichen 2 O 334/09, verurteilt, an die Klägerin weitere 5.152,30 EUR zzgl. jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für die Rechtsmittelinstanz wird auf 5.152,30 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das LG hat die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von 5.015,02 EUR zzgl. Zinsen seit dem 20.11.2009 verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat die Entstehung einer Einigungsgebühr gemäß VV 1000 RVG festgestellt, da die Klägerin unstreitig an Vertragsverhandlungen i.S.v. Abs. 2 VV 1000 RVG mitgewirkt habe. Eine fehlende Ursächlichkeit dieser Verhandlungen für die spätere Einigung habe die Beklagte nicht bewiesen. Die darüber hinaus gehend von der Klägerin beanspruchte Geschäftsgebühr sei allerdings nicht angefallen. Dies ergebe sich nicht aus einer Anrechnung, sondern daraus, dass die von der Klägerin entfaltete Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 RVG als zusammenhängende Tätigkeit einzustufen und damit nur einmal zu vergüten sei. Zu den zusammenhängenden Tätigkeiten gehörten auch Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungsarbeiten sowie außergerichtliche Verhandlungen. Da eine Geschäftsgebühr nicht angefallen sei, komme es nicht darauf an, ob diese mit dem Faktor 1,3 angemessen von der Klägerin angesetzt worden sei.

Die Klägerin wendet sich gegen dieses Urteil. Neben der Einigungsgebühr nach VV 1000 RVG könne die Geschäftsgebühr nach VV 2300 RVG entstehen, auch wenn es sich um eine einheitliche Tätigkeit handeln sollte. Eine Anrechnung hätte nur erfolgen können, wenn eine Anordnung im Gesetz gem. § 15a RVG erfolgt wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Auch mit der Einheitlichkeit der Tätigkeit i.S.v. § 19 Abs. 1 RVG könne der Anfall der Geschäftsgebühr nicht ausgeschlossen werden. Die §§ 16 ff. RVG regelten lediglich, was eine einheitliche Angelegenheit darstelle. Demgegenüber bestimme § 15 Abs. 2 RVG, dass der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit einmal fordern könne. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergebe sich damit, dass der Rechtsanwalt für eine Angelegenheit durchaus mehrere Gebühren verdienen könne.

Die Klägerin hält an ihrem erstinstanzlichen Vortrag fest, dass der von ihr abgerechnete Gebührenansatz mit 1,3 angemessen sei. Außerdem habe die Klägerin bei der Bemessung des Ansatzes ihr Ermessen ausgeübt. Dies sei der Beklagten in Gestalt der Rechnung auch mitgeteilt worden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Abänderung des am 28.4.2010 verkündeten Urteils des LG Lübeck zum Aktenzeichen 2 O 334/09 zu verurteilen, an die Klägerin EUR 10.167,32 zzgl. jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 RVG gehörten u.a. außergerichtliche Verhandlungen zu einem Verfahren. Folglich würde die Führung der außergerichtlichen Verhandlungen das Entstehen der gesondert geltend gemachten Geschäftsgebühr ausschließen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer gemäß Beweisbeschluss vom 2.11.2010.

II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und erfolgreich.

1. Der Berufungsantrag der Klägerin, das erstinstanzliche Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den Betrag von 10.167,32 EUR zu zahlen, ist dahingehend auszulegen, dass sie nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer EUR 5.152,30 begehrt. Insoweit ist sie durch das erstinstanzliche Urteil beschwert. Aus der Berufungsbegründung ergibt sich, dass sie die Verurteilung der Beklagten verfolgt, soweit diese in erster Instanz obsiegt hat, so dass das Urteil lediglich i.H.v. 5.152,30 EUR (10.167,32 EUR./. 5.015,02 EUR) angegriffen wird.

2. Auf die Berufung ist die Beklagte zu verurteilen, an die Beklagte weitere EUR 5.152,30 nebst Zinsen zu zahlen. Die Gebühr ist entstanden und in der Höhe angemessen.

a) Der Klägerin steht die geltend gemachte Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Tätigkeit gemäß VV 2300 RVG dem Grunde nach zu. Die Geschäftsgebühr entsteht gemäß Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV 2300 RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich ...

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